Full text: Das königliche Schloss in Berlin

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deren Syftem noch heute zwifchen fpäteren Anbauten deutlich erkennbar ift (f. d. Abbildung auf Seite 4). Die 
Ueberdeckung der Fenfter gefchieht durch den in der fächfifchen Frührenaiffance allgemein verbreiteten fpät- 
gothifchen Vorhangsbogen. Befondere Aufmerkfamkeit verdienen die Giebel, deren gröfsere fıch in vier 
Abfätzen in reicher Pilafterarchitektur und üppigem plaftifchen Schmuck aufbauten. Sie gehören mit zu den 
reichften, welche die Früh-Renaiffance überhaupt im nördlichen Deutfchland hervorgebracht hat. Zwifchen 
je zwei größere fchiebt fich ein kleinerer ein. Auch die hohen Schornfteine, die in der Faffadenflucht aus 
dem Dache auffteigen, find — was in Deutfchland fonft felten nachweisbar — mit plaftifchen Zuthaten ge- 
(chmückt. Wie harmlos naiv dabei diefer jugendfrifche fpielend-decorative Stil {chwierige Probleme, ftatt 
fie zu löfen, einfach ignorirte, zeigt hier fo recht die unvermittelte Anlehnung zweier Halbgiebel an die 
höher hinauf fteigenden Erker. 
Auf der Hoffeite bildete ein mächtiger ganz durchbrochener Wendelftein das Hauptdecorationsftück 
der Faffade. Wie bei diefen grofsen Treppenthürmen in der fächfifchen Frührenaiffance allgemein üblich, 
begann die Spindeltreppe erft im zweiten Gefchofs von einem Altan aus, bis zu dem eine Freitreppe hinauf- 
“ührte. Von’ hier an fetzt auch erft der in feinem unteren Theile viereckige Thurm in den Halbkreis um. 
Dies eigentliche Treppenhaus war an den Ecken mit reich fculptirten, durch Rurndbögen verbundenen Pilaftern 
befetzt, zwifchen denen fich die Wand in der ganzen Höhe öffnete, fo‘ dafs man die fchräg anfteigenden 
Treppenwangen fah. Das Ganze war wieder über und über mit Relieffchmuck bekleidet. Von diefem Treppen- 
thurm giebt heut ein Blatt des auf der K. Bibliothek zu Berlin befindlichen Skizzenbuches des Malers Johann 
Stridbeck das einzige, leider nur fehr ungefähre Abbild. Stridbeck befuchte am Ende des fiebzehnten 
Jahrhunderts Berlin und nahm bei diefer Gelegenheit eine Reihe von Profpecten der Stadt und einzelner 
Gebäude in flüchtig hingeworfenen Aquarellen auf.. Abgefehen von den überall mangelnden genaueren Details 
leiden feine Zeichnungen an der allgemeinen Krankheit des Schönheitsfinnes: feiner Zeit: ‘Die Gebäude find 
übertrieben fchlank gezeichnet und geben fo einen falfchen Totaleindruck, in welchem fich der moderne 
Befchauer /erft zurechtfinden. mufs. Trotz diefer Mängel aber bleiben feine Skizzen gerade für die Bau- 
gefchichte des Schlofses wichtig, da fie uns heut untergegangene Theile kennen lehren, von denen fonft 
keine Zeichnung auf uns gekommen wäre (f. d. Abbildung auf Seite 9). 
Ein doppelte, etwa 2 Meter breite Loggienhalle, die wegen ihres Reichthumes vielfach von den Zeit- 
genoffen gepriefen wird, lief nach Art der italienifchen Arkaden längs der Hoffaffaden hin. Durch beide 
Gefchoffe gehende korinthifche Pilafter trugen hier das abfchliefsende Gefims. Zwifchen fie fchoben fich 
die beiden Arkadenftellungen ein, deren Brüftungsmauern wieder mit Reliefs . bedeckt waren; die obere 
Galerie krönten aufserdem Statuen von allerlei Fürften und Perfonen des Hofes. Es find dies jene Stand- 
bilder, die auch die Grabfchrife des Kaspar Theifs rühmt, und deren alle Zeitgenoffen preifend gedenken: 
Nur auf der Seite, wo die Freitreppe zu dem. Wendelftein hinanführte, war diefe doppelte Loggia durch 
eine auf Konfole geftellte Galerie längs des dritten Stockwerkes erfetzt. 
In der Mitte des Oftflügels fprang im Hof ein mafliger achteckiger T’hurm vor, welcher im Innern 
eine ftufenlofe Wendeltreppe enthielt, fo dafs man auf derfelben zu Pferde bis an die verfchiedenen Stock- 
werke gelangen konnte. Man hat mit Unrecht geglaubt, feine Erbauung in das fünfzehnte Jahrhundert 
der Anfchlufs des untergegangenen Flügels an noch vorhandene Gebäudetheile gegeben ift, fo laffen fich daraus die urfprünglichen 
Stockwerkshöhen mit einiger Genauigkeit. berechnen. Ein Vergleich mit dem erften Entwurfe Schlüter’s ergiebt weiter, dafs von 
diefem die Achfentheilung der Fenfter beibehalten wurde. So ift alfo das Mafs der Höhe und Breite des alten Baues wenigftens 
eidlich genügend zu gewinnen. Die Gliederung der‘ Fenfterumrahmungen endlich hat fich in einzelnen Beifpielen auf den Hinter- 
‘öfen erhalten. Dies ift die Grundlage, auf welcher Verfaffer die Reftauration auf Seite 8 verfuchte.
	        
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