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Vergleicht man die Grundrifsbildung unferes Provinzialismus mit der älterer deutfcher Schlöffer, fo
fällt die Vorliebe für zwei im Dreiviertelkreis an den Ecken der Faffaden vorfpringende Erker auf. Gerade
fie wurden auf das reichfte mit Pilaftern und horizontalen Ornamentftreifen dekorirt. Woher plötzlich diefe
bisweilen zimmerartig fich erweiternden Auslagen, die in anderen Gegenden nicht felten fogar wirkliche
Rundthürme werden, z. B. in Gottesau bei Carlsruhe, in Celle, Güftrow (hier achteckig) und vielfach fonft?
Auch dies ift, glaube ich, franzöfifcher Einflufs. Dort entwickelt fich feit dem früheften Mittelalter der Rund-
thurm langfam und allmälig nicht nur fortifikatorifch, fondern auch dekorativ zu dem wefentlichften Gliede des
Schlofsbaues; man denke. an das durch Viollet-le-Duc’s Reftauration bekannter gewordene Pierrefonds. Die
Renaiffance bemächtigt fich feiner, indem fie die ungegliederte Maffe durch Einfügung reichfkulptirter
Fenfter und malerifcher Giebel in ihrem Sinne umbildet, fo aber bleibt er, nachdem fein urfprünglicher
Zweck längft vergeffen, ein willkommenes Mittel der Maffengliederung, als welches er noch heut in ver-
änderter Geftalt, als Pavillon, charakteriftifch für die franzöfifche Architektur ift. In Deutfchland aber hat er
in Verbindung mit dem Wohnhaufe felbfit in den Zeiten, wo ihm eine fachliche Bedeutung eigen, mit
verfchwindenden Ausnahmen nicht annähernd die Rolle wie in Frankreich gefpielt; ohne das fremde Vorbild
wäre er auch wohl nie, noch .dazu erft zu einer Zeit, wo der Gedanke der Vertheidigung fortgefallen, zu
neuem Leben erwacht. /
Es ift hier nicht der Ort die Beziehungen der norddeutfchen Frührenaiffance im allgemeinen
zu Frankreich darzulegen, fonft müfste auf die oft auf das deutlichfte an Frankreich mahnenden Grundrifs-
bildungen vieler Schlöffer hingewiefen, es müfsten die ihre franzöfifche Herkunft in jedem Stein verkün-
denden mecklenburgifchen Schlöffer, vor allem Güftrow, hervorgehoben werden, ebenfo Schlofs Heldburg bei
Hildburghaufen, wo ein Theil geradezu der franzöfifche Bau heifst (1562), welchen Namen feine Bauformen
beftätigen (Lübke). Es genügt die ftiliftifchen Bezüge wenigftens in einzelnen Punkten. für unfere Gruppe
klargeftellt zu haben, und mufs begünftigteren Forfchern überlaffen bleiben durch archivalifche Funde den
hiftorifchen Nachweis für die beftehende Thatfache zu geben.
Mit dem Tode Joachim’s (1571) und feines Baumeifters geht die Glanzzeit des märkifchen Kunft-
lebens zu Ende. So viel auch gerade von jetzt an bis gegen den Anfang des dreifsigjährigen Krieges
gebaut wird, auf künftlerifchen Werth kann all dies keinen Anfpruch machen. Schon Hans Räspel, der
Nachfolger von Theifs, welcher 1572 auf acht Jahre als Baumeifter engagirt wurde, fcheint feinem Gehalte
nach (120 Thaler jährlich und die üblichen Naturallieferungen) eine untergeordnete Perfönlichkeit gewefen
zu fein; mit Ablauf feines Contraktes wurde er entlaffen. Von ihm rührt die Vollendung des die ganze
Anlage überragenden hölzernen Thurmes über der Kapelle her, wie überhaupt die letzte Fertigftellung des
öftlichen Flügels. Mit ihm {chliefst. die Periode der Frührenaiffance. Fremde, und zwdr zunächft Italiener,
treten von nun an als Baumeifter auf und führen die Hochrenaiffance ein, ohne dafs ihre Leiftungen fich
mit dem vergleichen liefsen, was die vergangene Epoche hervorgebracht. An die Stelle des fröhlich fich
ausbreitenden plaftifchen ‚und farbigen Schmuckes, der wie ein Feftgewand den ganzen Bau überzog, treten
glatte Flächen. Die bisher reichen Giebel vereinfachen fich und find bisweilen in blofsen Dachfchrägen
abgefchloffen. Im Innern zeigt das Stuckornament der Decken die entwickelteren Formen der 1päteren Zeit,
während an anderen Theilen des Baues noch die Formen der Frührenaiffance wach bleiben; fo in den
kleinen rundbogigen Thüren und in der Profilirung der Fenftereinfaflungen.