Full text: Das königliche Schloss in Berlin

U a8 
tektonifchen Gedanken vernichten, wie ihn z. B. das den ganzen Bau zufammenfaffende und deshalb eben 
in einheitlich fortfliefsenden Linien zu denkende Hauptgefims ausdrücken foll. Die Statuen und Vafen, welche 
einft die abfchliefsende Balluftrade fchmückten, mufsten fpäter, als der Sandftein zerbröckelte, entfernt werden; 
die neuen heut an. ihre Stellen getretenen Figuren: nach der Luftgartenfeite zu‘ find im Verhältnifs zum 
Ganzen zu grofs und erzielen fo die beabfichtigte Wirkung nur unvollkommen. 
Im Hofe ift derfelbe Zweck einer lebensvollen Gliederung des Ganzen mit mehr architektonifchen 
Mitteln ohne viel plaftifch barocke Zuthaten durch gefchickt vertheilte Gegenfätze und einen unvergleich- 
lichen Rythmus der Maffengliederung erreicht. Schlüter hatte urfprünglich die doppelte Loggienreihe zwifchen 
den vorfpringenden Rifaliten der Portale mit grofsen korinthifchen Halbfäulen entfprechend den Säulen vor 
den Portalen verfehen wollen, über denen flache Stichbögen, von Säule zu Säule gefpannt, die obere Galerie 
tragen, und Einbauten zwifchen den Halbfäulen den unteren Gang herftellen follten. Abgefehen von der 
Gefchmacklofigkeit der flachen Bögen auf Säulen mochte der Künftler aber mit Recht die Monotonie der 
in langen Reihen aufmarfchirenden Riefenfäulen. fürchten, denn das ältere Project wurde während des Baues 
verworfen .und die heutige Anordnung, eine wefentliche Verbeflerung, trat an feine Stelle. Es gefchah: dies, 
wenn der Datirung des Blattes bei Broebes zu trauen, im Jahre 1704. Zwei Jahre fpäter waren diese Gale- 
rien noch nicht völlig fertig, wie der Baubericht in der Anmerkung auf Seite 27 ergibt. 
In diefem fo glanzvoll wirkenden Ganzen wird man doch als das gelungenfte Stück die fo elegant 
fich aufbauenden Nebenportale (I und V) gelten laffen müffen. Wie richtig in der Gefammterfcheinung, 
wie fo ganz und gar nicht zu entbehren ift daran die einzige ftark in idie Augen fallende barocke Zuthat, 
die vorgekröpften Säulen als Statuenträger: Allerdings ift diefe Anordnung ohne jede conftructive Berech- 
tigung, einfach eine Conceflion an das Malerifche‘ und deshalb natürlich von den Zopfclafficiften des vorigen 
Jahrhunderts getadelt worden, während fie doch in ihrer Schönheit fich felbft rechtfertigt, ohne dafs man 
deshalb noch zu dem armfeligen academifchen Hinweis auf Bauten des Alterthums, wo diefe Anordnung 
gleichfalls vorkommt, greifen müfste. 
Erfcheint fo Schlüter’s erfter Bauplan aefthetifch betrachtet wie ein völlig in fich abgerundetes har- 
monifches Kunftwerk, welches durchaus den Eindruck macht, aus der: freifchaffenden Phantafie ohne äußere 
hemmende Befchränkungen entftanden zu fein, fo wird man dem Genius, der hier thätig war, erft ganz 
gerecht, wenn man in Betracht zieht, unter welchen Schwierigkeiten er fein Werk concipirt, und noch mehr, 
wenn man fieht, mit welch immer frifcher Kraft er gerade die ihm entgegenftehenden Hinderniffe, an denen 
hundert Andere gefcheitert wären, zu Vorzügen feines Projectes umzugeftalten verftand. Der ganze Bau ift 
nämlich, wie fchon gefagt, felbft .bis in viele Nebenfachen hinein, von den alten vorhandenen Gebäuden 
bedingt; fo zunächft die Höhe der einzelnen Stockwerke, denn für die Fefträume war. die Fufsbodenhöhe 
durch die der alten kurfürftlichen Gemächer an der Spree gegeben; ebenfo waren die drei Treppenhäufer 
an den drei Seiten des Hofes nichts als eine Wiederaufnahme der an denfelben Stellen liegenden Treppen 
des alten Baues;: Dabei forderte, wie es {cheint, die Rückficht auf das kurfürftliche Quartier von ihm fo ftreng 
die Beibehaltung der urfprünglichen Lage der Haupttreppe, dafs er diefelbe nicht einmal um einige Fufs weiter 
nach Süden. bis in die Mittelaxe des Hofes rücken durfte. Selbft die fo glücklich den Hof belebenden 
Doppelarcaden waren, wie wir gefehen, im Theifs’fchen Bau fchon vorhanden, von deffen grofsen korinthifchen 
Pilaftern auch die urfprünglich beabfichtigten Halbfäulen und die wirklich ausgeführten Säulen der Portale 
ftammen; wie denn auch die Doppeltreppe des grofsen Treppenhaufes den zwei nebeneinander liegenden 
Treppenthürmen des alten Baues entfpricht, von denen die Reitfchnecke in dem heutigen ftufenlofen Auf- 
vange: nachlebt, gerade wie der alte Name der Wendel- d. h. Spindeltreppe fich noch heut, wo die beiden
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.