Full text: Das königliche Schloss in Berlin

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war, während diefe heut durch das Einfchneiden des die ganze Höhe des Gebäudes einnehmenden Triumph- 
thores ftörender Weife fehlt. War nach diefer Richtung hin der Entwurf glücklicher als die fpätere Ausführung, 
fo ftand die Kuppel dafür in dem ungünftigften Verhältnifs zum Ganzen. Sie war nur.eingefchoffig und 
viel zu unbedeutend für den breit hingelagerten Unterbau. Ein Kranz von freiftehenden Säulen trug das Dach. 
Es mochte Eofander, im Wetteifer mit Schlüter, darum zu thun fein, dem Könige zu zeigen, dafs 
auch er der Mann fei, grofsartige Monumentalanlagen zu concipiren. So nimmt er in diefer Skizze das Dom- 
project seines Vorgängers wieder auf, vermittelt aber die Verbindung des Schloffes mit der Kirche nicht 
mehr durch die wirkfame Colonnade Schlüters fondern durch einen unbedeutenden, zweigefchoffigen Flügel, 
deffen einfache Architektur fich an die Formen von Bodt’s Stechbahn anlehnt. Nach Norden zu führte er 
über den ehemaligen Münzthurm hinaus einen gleichen Flügel zu dem einft hier liegenden Ballhaus, welches 
er mit in den Umbau zog. Die Skizze ift zu klein und flüchtig um ein Urtheil über das Einzelne zu erlauben; 
das Ganze wirkt trotz der grofsen Ausdehnung diefer fo erweiterten Weftfront durchaus unbedeutend, fo dafs 
ein Vergleich mit Schlüter ganz unzuläffig ift. Uebrigen& kannte fchon Broebes, wie der Stich ergiebt, die 
Lage des Münzthurmes nicht mehr; er verlegt ihn an die Stelle der heutigen Nordweft-Ecke des Schloffes. 
Aller Wahrfcheinlichkeit nach war die kleinlich wirkende Kuppel die Urfache, weshalb diefes Pro- 
ject verworfen wurde. Sobald aber die Mafse des eigentlichen Thurmes wuchfen, mufste auch deffen Unter- 
bau grofsartiger angelegt werden; auch war es aefthetifch nicht rathlam eine gröfsere Anzahl ziemlich gleich- 
werthiger Stockwerke aufeinander zu thürmen. So kam Eofander dazu, indem er feine Kuppel zweige- 
fchoffig machte, dafür den Unterbau als ein grofses Stockwerk zu behandeln, wie es die heutige Ausführung 
zeigt. Reicher plaftifcher Schmuck von Statuen, Trophäen, Reliefs und Springbrunnen follte das Aeufsere 
diefes Portales beleben, über demfelben der‘ Thurm hoch hinauffteigen ‚und fo den mifsglückten Münz- 
thurm erfetzen und der dominirende Theil der ganzen Anlage werden. Die Plankammer des Königlichen 
Hofmarfchallamtes befitzt zwei Tufchzeichnungen diefes Schlofsthurmes, beide im grofsen Ganzen des Auf- 
baues ziemlich mit einander übereinftimmend und nur im Grundrifs verfchieden, der beidemal die Form eines 
langgezogenen Achtecks, aber in dem einen Project mit gefchweiften, in dem anderen mit geraden Seiten 
zeigt. Obgleich die Zeichnungen erft vom Jahre 1728 ftammen, fo wird man doch kaum fehlgehen, wenn 
man in’ den, im Ganzen genommen keineswegs ungefälligen Compofitionen, an denen nur die Einzelheiten 
zu wünfchen übrig laffen, den Eofander’fchen Grundgedanken fieht. Zwei offene fäulengetragene Stock- 
werke bauen fich übereinander auf und finden ihren Abfchlufß in einer laternengefchmückten Kuppel. Die 
Leiftung entfpricht völlig. der Art und Richtung des Eofander’fchen Talentes; aus verfchiedenen anders- 
woher entlehnten Elementen (die Säulenftockwerke verrathen lebhafte. Anklänge an Schlüter’s Zeichnung 
zum Münzthurme) componirte er ein, wie fich gar nicht läugnen läfst, höchft wirkfames und entfchieden 
glückliches Ganzes, an dem namentlich der Oberbau und das Triumphthor viel beffer zu einander paffen, 
als es in der heutigen Ausführung der Fall ift; aber feine Kraft reichte nicht aus, diefes Werk nun auch 
organifch mit dem übrigen Palaft zu verbinden. Die Art und Weife, wie er diefe Verbindung verfucht, oder 
richtiger das völlige Fehlen derfelben, zeigt eine felbft bei Eofander befremdende künftlerifche Rohheit. 
Das Portal fchneidet rückfichtslos in die architektonifchen Linien der Faffade, die nächftliegenden Fenfter 
des ‘Hofes müflen 'fogar ihre Umrahmungen aufgeben, da für Ge kein Platz it.‘ 
Bekanntlich blieb der Bau der Kuppel, deren Ausführung, einer Auffchrift auf der einen Zeichnung 
nach, noch im Jahre 1728 beabfichtigt gewefen zu fein fcheint, fpäter liegen, und es vergingen‘ mehr‘ als 
hundert Jahre, bis König Friedrich Wilhelm IV. den Gedanken wieder aufnahm und durch Stüler und Schadow 
in den Jahren 1844—1848 die heutige Kapelle auf das’ Eofander’fche Portal fetzen liefs. —
	        
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