156 Die Kultur
Künstler aber, der nicht die edle Menschlichkeit praxi-
telischer Gestalten in sich erlebt, kann auch solche Bild-
werke nicht schaffen, denn diese tun nichts, als daß sie
solchem Menschensein körperlichen Ausdruck geben.
Wenn man sich nicht diesen tiefsten psychischen Unter-
schied zwischen Primitiv- und Kulturvölkern klar macht,
so versteht man die entscheidenden Punkte nicht.
Es lassen sich im ganzen sechs verschiedene Gebiete
der Kultur unterscheiden, drei niedere und drei höhere
Gebiete.
1. Das politisch-soziale Gebiet. Sein Wesen
besteht in der Verbindung einer mehr oder weniger großen
Zahl von Individuen zu einem höheren Ganzen, dem-
gegenüber sich die Individuen in mehr oder minder weit-
gehendem Maße in Bindung befinden; 2. das wirt- |
schaftliche Gebiet. Auf ihm beruht die Erhaltung 1
der physiologischen Existenz der Individuen; 3. die w
Technik. Ihr Ziel ist eine Unterwerfung der Natur- ;
kräfte unter den Willen des Menschen; 4. Religion
und Sittlichkeit. Die Religion besteht in einem Le-
bensverhältnis der Individuen zum Metaphysischen, die
Sittlichkeit in einer normativen, übersuhjektiven, nicht
egoistischen Bindung des Willens und Handelns. Wir
fassen beide Gebiete zusammen, weil Sittlichkeit nur in
Ausnahmefällen unabhängig von der Religion vorkommt;
5. die Kunst. Sie besteht in Schöpfungen der Ein-
bildungskraft, die von ästhetischen Tendenzen getragen r
werden; 6. Wissenschaft einschließich Philo- Zi
sophie. Sie stellen die Erkenntnis der Wirklichkeit dar. er
— Zwischen diesen sechs Gebieten besteht ein gewich- +
tiger Rangunterschied. Nur die drei letzten Kulturgebiete u
haben einen Selbstwert, die drei ersten dagegen nur den :
Wert eines Mittels. Kein staatliches Gebilde hat Anspruch