254 Die letzten Probleme
wir an irgendein Ding denken, haben wir es ja meistens
nicht selber im Bewußtsein gegenwärtig, und doch ist es
in gewisser Weise uns bewußt: wir denken es eben. Nicht
es selbst, aber eine Art Stellvertretung von ihm ist in un-
serem Bewußtsein: seine logische Bedeutung, sein logisches
„Wesen“. Dieses kann genau wie ein Begriff nicht nur
in unserem eigenen Bewußtsein, sondern auch in dem an-
derer Personen gegenwärtig sein. Denn wenn wir und ein
anderer denselben Gedanken haben, so ist eben derselbe
logische Inhalt in uns gegenwärtig. Es ist identisch der-
selbe, nicht etwa nur ein qualitativ gleichartiger in mir
und den anderen Personen. Dieser logische Gehalt ist wie
die Begriffe überzeitlicher Natur. Denn wenn wir heute
etwas denken, was irgendein griechischer Denker vor
zweitausend Jahren gedacht hat, so ist der logische In-
halt unserer Gedanken mit denen jenes Griechen identisch
derselbe. Oder wir denken nicht dasselbe. Ganz wie die
Begriffe sind natürlich auch die Bedeutungen etwas
durchaus Objektives, kein bloßer Ichzustand. Nur das
Denken eines logischen Inhalts, sein Mir-zum-Bewußtsein-
bringen ist ein Akt des Ich.
Das wenigstens ist die Lehre Husserls, die mir jedoch
schweren Bedenken unterworfen zu sein scheint. Es ist
äußerst fraglich, ob es solche individuellen „Bedeutungen“
überhaupt gibt. Wie ich in meiner „Phänomenologie des
Ich“ gezeigt habe, werden auch konkrete individuelle Ge-
genstände immer nur mit Hilfe von Begriffen als in ihren
Umfang gehörige Objekte gedacht. —
Aber auch sonst kann von einem befriedigenden Ab-
schluß der Neugestaltung der Logik noch nicht gesprochen
werden. Ich kann mich dem Eindruck je länger desto
weniger entziehen, daß selbst die logischen Grundsätze
irgendeiner tiefgreifenden Korrektur bedürfen. Seit den