256 Die letzten Probleme
druck, uns noch in einem zurückgebliebenen Stadium der
wissenschaftlichen Entwicklung zu befinden.
Seit langem liegen zwei Richtungen miteinander im
Kampf: der Objektivismus und der Relativismus. Der
erste lehrt, daß es objektive Werte gibt; für den zweiten
sind alle Werte subjektiver Natur.
Verhältnismäßig am einfachsten liegt das Wert-
problem auf ethischem Gebiet. Der Relativismus
identifiziert hier den ethischen Wert einer Handlung mit
ihrer Eigenschaft, Lust zu gewähren, entweder dem Han-
delnden selbst oder anderen. Das kann indes individuell
sehr verschieden sein. Oder aber es wird darunter auch
einfach die Tatsache verstanden, daß Handlungen ge-
schätzt oder mißbilligt werden (was dann aber meistens
wieder darauf zurückgeführt wird, daß sie Lust erregen).
Gegen diese Auffassung haben sich alle wahrhaft ethisch
bewegten Denker immer wieder gewendet, daß sie das
Wesen des Sittlichen nicht treffe, sondern es vielmehr
fälsche. In der Tat haben diese Angriffe in vollem Um-
fange recht. Wenn wir eine Handlung sittlich oder un-
sittlich nennen, so geschieht es nicht wegen der Lust oder
Unlust, die sie mit sich führt. Es können auch unsittliche
Handlungen Lust zur Folge haben und sittliche starke
Unlust. Es ist sogar sehr fraglich, ob nicht im Durch-
schnitt das Verhältnis so ist, daß Unsittlichkeit mehr Lust,
Sittlichkeit mehr Unlust mit sich bringt. Das, was eine
sittliche Handlung zur sittlichen und eine unsittliche zur
unsittlichen macht, ist vielmehr etwas an ihnen
selbst, nicht erst ihre Wirkung. Sagt man doch auch
— mit Recht—, daß es auf die Gesinnung, nicht auf das
Ergebnis ankommt. Wenn wir wissen wollen, ob eine
Handlung ethischen Wert besitzt, so müssen wir die innere
Verfassung des Handelnden während der Handlung be-