268 Die letzten Probleme
steht hier die noch ungelöste Aufgabe einer allgemeinen
Phänomenologie der religiösen Gefühle. Es muß sichtbar
gemacht werden, ob und welche verschiedenen Richtungen
es bei diesen Gefühlen gibt. Bisher sind die Religionen
immer ihrem intellektuellen metaphysischen Lehrgehalt
nach unterschieden worden. Daß den verschiedenen
Ideen auch verschiedene Gefühlserlebnisse entsprechen,
ist den tieferen Forschern natürlich niemals zweifelhaft
gewesen, jaber sie haben diese Frage beiseite liegen ge-
lassen. Und doch ist sie von größter Wichtigkeit. Es muß
festgestellt werden, welche Gefühle den verschiedenen
intellektuellen Überzeugungen entsprechen.
Auch innerhalb der religiösen Erlebnisse selbst findet
sich eine Rangorädnung. Wenn wir eine Religion
über irgendeine andere stellen, so ist die letzte Ursache
dafür der Umstand, daß zwischen ihren Gefühlszuständen
wieder jenes eigentümliche Verhältnis der Über- bzw. Un-
terordnung stattfindet.
Die Tatsache, daß das religiöse Leben spezifische Ich-
erhebungen in sich einschließt, macht es auch für den in
intellektueller Beziehung gegen die Religionen Skeptischen
zu etwas im höchsten Maße Verehrungswürdigen. Dieser
Wertgehalt ist die stärkste Apologie der Religion, die sich
überhaupt für sie finden läßt. Allerdings schützt er sie
nicht gegen den Vorwurf der Illusion. Gegen diesen ver-
mögen nur rein intellektuelle Argumente etwas, die den
religiösen Glauben als mindestens nicht widerlegbar und
wenn möglich als wahrscheinlich zu erweisen suchen
müssen. Kine Vertiefung der Apologetik mancher un-
beweisbaren Sätze ist auch noch durch das metaphysische
Argument möglich: es sei nicht denkbar, daß die Ge-
danken, die die höchsten inneren Erhebungen des Men-
schen mit sich bringen, rein illusionär sein sollten, Wenig-