Full text: Das Weltbild der Gegenwart

284 Die letzten Probleme 
Ob uns Wasser, in das wir die Hand hineinstrecken, 
als warm oder kalt erscheint, hängt davon ab, ob wir sie 
vorher in kälteres oder wärmeres getaucht hatten. Kom- 
men wir aus strahlendem Sonnenlicht in einen sehr 
schlecht beleuchteten Keller, so erscheint er uns als völlig 
finster, während wir nach einigen Minuten des Verweilens 
in ihm Gegenstände recht wohl erkennen. Dem Farben- 
blinden erscheinen alle Objekte als mehr oder weniger 
grau. Diese und verwandte Tatsachen haben dazu geführt, 
daß man schließlich überhaupt den Körpern Farben als 
objektive Eigenschaften aberkannt hat. Sicher geht dieser 
Schluß zu weit. Was wir sagen können, ist nur, daß wir 
kein Kriterium besitzen, um scheinbare und — wenn es 
solche gibt — objektive Farben zu unterscheiden. Die 
Lehre von der Subjektivität der Sinnesqualitäten — vor 
allem der optischen —, die bis in die griechische Sophistik 
zurückreicht, hat aber in der Neuzeit durch Galilei und 
Locke einen fast völligen Sieg erlangt. Auf ihren An- 
schauungen baut sich das durchschnittliche naturwissen- 
schaftliche Weltbild auf, nach welchem die Natur eine 
räumlich ‚ausgedehnte, aber farb- und klanglose Welt von 
Körpern darstellt, deren letzte Teile undurchdringlich 
sind. Nur die Größe und Gestalt ist danach objektiver 
Art, nicht die Farbe. 
Es liegt auf der Hand, daß ein strenger Beweis auch 
für die Objektivität der räumlichen Beschaffenheit der 
Natur nicht erbracht werden kann. Sind die Farben der 
Körper nur phänomenaler Natur, so muß diese Möglich- 
keit auch für die räumlichen Eigenschaften der Körper- 
welt offen gelassen werden. Man ist deshalb neuerdings 
mehrfach dazu übergegangen, auch nach dieser Richtung 
keine bestimmten Aussagen mehr über die Natur zu machen 
und auch ihre geometrisch-räumliche Struktur als rein
	        
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