9250 Die letzten Probleme
Das Streben nach rechnerischer Beherrschung der
Weltphänomene ist es auch, welches die mechanische
Weltansicht ins Leben gerufen hat, denn Bewegungs-
vorgänge lassen sich fast restlos durch mathematische
Formeln darstellen. Alle Bewegungen sind entweder Ge-
schwindigkeits- bzw. Entfernungs- oder Richtungsände-
rungen in bezug auf einen bestimmten Punkt, darüber
hinaus kommt als qualitatives Moment nur die Masse des
Körpers in Betracht. Mit Hilfe der analytischen Geo-
metrie ist es aber möglich, die Änderungen dieser Mo-
mente und ihre Beziehungen zueinander in Formeln dar-
zustellen. Sobald man dagegen weitere Qualitäten berück-
sichtigen will, etwa, daß der eine Körper aus Gold, der
zweite aus Silber, der dritte aus Kupfer besteht, müssen
neue besondere Zeichensymbole eingeführt werden und
die schöne Einfachheit, die jedes Handbuch der theore-
tischen Astronomie auszeichnet, ist dahin. Dennoch darf
man nicht glauben, daß die mechanische Weltansicht
wirklich „alles in Mathematik auflöst“. Auch in ihr gibt
es noch Raum, Zeit und Materie; diese wieder aber sind
Konstruktionen auf den Grundlagen unmittelbarer Er-
lebnisqualitäten.
Was so für die mechanische Weltansicht gilt, gilt
ebenso auch für alle andern Arten der Physik. Wäre
es nicht so, dann wären Physik und Mathematik über-
haupt identisch. Man darf sich auch nicht dadurch
täuschen lassen, daß die moderne Physik schließlich sogar
den gewöhnlichen Zeitbegriff durchbrochen hat, an ihren
Wurzeln hängt auch sie noch mit der Erfahrung ’und
damit mit Raum und Zeit als Inhalt der Wahrnehmung
zusammen. So sehr im weiteren Verlauf der Deduktion
die moderne theoretische Physik der Mathematik gleicht,
die ersten Schritte, die Ansätze zu ihren Gleichungen,