288 Die letzten Probleme
letzten Jahrzehnten ‘hat eine Richtung im modernen Neu-
kantianismus, die Marburger Schule Cohens
und Natorps, die Anerkennung der Wahrnehmung
als eines legitimen Grundfaktors der Wissenschaft auf
das lebhafteste bekämpft, indem sie zugleich die gewöhn-
liche Inbeziehungsetzung der Erkenntnis zu einem Objekt
verwirft. Während der Realismus im Erkennen einen
Vorgang sieht, durch den ein dem Erkennen gegenüber
stehendes Objekt erfaßt wird (im Grenzfall kann es das
Erkennen selbst sein), leugnet die antirealistische Auf-
fassung diesen Tatbestand. Der Gegenstand steht nach
ihr dem Erkennen nicht gegenüber, sondern sie hält den
erkannten Gegenstand für dem Erkennen immanent, für
erst in und durch den Erkenntnisakt geschaffen. Seit
mehr als hundert Jahren liegen die beiden‘ Standpunkte
im Kampf miteinander. Die heute vom Antirealismus zu-
meist auf Kant erfolgende Berufung ist nicht durch-
schlagend. Der Kampf der beiden Richtungen reicht bis
in die Werke Kants hinein, der vergeblich nach einem
Ausgleich gesucht hat. Die Entscheidung zwischen beiden
Standpunkten kann nur auf Grund einer Analyse, des
Erkennens getroffen werden.
Der Antirealismus geht über die Wahrnehmungsakte
hinweg. Er erkennt, daß die Sätze der exakten Natur-
wissenschaft in dieser Weise nicht gewonnen werden.
Kein Satz der Physik kann von unseren Bewußtseins-
inhalten einfach abgelesen werden. Auf der anderen Seite
wird die exakte Naturwissenschaft zu den sichersten Er-
kenntnissen gerechnet, welche überhaupt existieren. Des-
halb darf, meint der Antirealismus, der Begriff des Er-
kennens_nicht aus _Wahrnehmungserlebnissen gewonnen
werden, sondern es müsse dazu die exakte Physik als eine
unbezweifelte Erkenntnis analysiert werden. Dann aber