| Das Wesen und die Arten der Erkenntnis 299
1eoretische Maße geklärt, daß von einer Einstimmigkeit der Ansichten
gehört so- gesprochen werden könnte. Und so haben wir das selt-
ler Regel- same Schauspiel, daß eine der entwickeltsten Wissen-
eides sind schaften nicht recht weiß, wie sie sich eigentlich zu ihrem
ssenschaft Gegenstande verhält, ja oft nicht einmal, welches eigent-
Welt. In lich derselbe ist.
tigste und Die neueste Entwicklung der Mathematik behandelt
wir auch die Axiome als willkürlicher Natur, als willentlich ange-
selbst des nommene Regelgrundlagen, auf denen das weitere Lehr-
erachten. gebäude ruht, die aber selbst keines Beweises fähig sind,
nm Gegen- und die man deshalb auch durch andere ersetzen kann,
en, SO BE- wodurch man ganz neuartige Lehrsysteme erhält. Diese
Intellektes Behandlung der Axiome ist an sich möglich. Nichts
- die Welt hindert uns, gewisse Sätze und Definitionen auszu-
3o müßten sprechen und dann zu ermitteln, welche Folgerungen sich
eit in ihr daraus ableiten lassen. Es ist das eine rein logische Un-
durch die tersuchung objektiver Begriffszusammenhänge. Die Evi-
denz würde sich auf die Beweisketten beschränken, aber
n steht es die Axiome nicht mit betreffen.
auf kon- Indes diese Auffassung der Mathematik geht um die
Art, son- eigentlichen Probleme, die sich an die Axiome anknüpfen,
tigen evi- mehr herum, als daß sie sie löst. Es unterliegt nun ein-
tituiert. mal keinem Zweifel, daß die gewöhnlichen Axiome min-
ematik. destens zum Teil eine tiefere Grundlage haben müssen als
vickelt sie unsere bloße Willkür. Weshalb wählte die Geometrie
1SaMMEN- denn zunächst gerade die euklidischen und nicht andere
Probleme, Axiome? Weshalb legte sie dem Raum nur drei und nicht
vier Dimensionen bei, obwohl sich auch eine solche Geo-
zu einem metrie ableiten 1äßt?
. Wissen- Die heute gewöhnlich gegebene Antwort: „weil sie die
twicklung bequemsten sind‘, befriedigt in keiner Weise. Weshalb
agt — ihr verzichtet man dann nicht auf die Geometrie des Raumes
n solchen und begnügt sich mit der Geometrie der Ebene, die noch