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Streit beilegen, die Rede zugleich in ihren Ursprung zurükehre, damit
wir nachher ungestört auf den gelegten sichern Grund weiter bauen ?
Alexander Vortrefflich.
Anselmo. Du also, Lucian, indem es dir möglich dünkt, daß
ein Werk, ohne schön zu seyn, der höchsten Wahrheit Vollendung haben
könne, scheinst etwas Wahrheit zu nennen, dem wir Philosophen vielleicht
auch diesen Namen nicht zugestehn würden. Du aber, Alexander, in
dem du ein Werk uur dur< seine Wahrheit schön seyn lässest, bezweifelst,
daß es einen Punkt geben könne, wo beide, gleich unbedingt, keine von
der andern abhängig oder ihr untergeordnet, jede für sich das Höchste,
so sc<hlec<hthin eins und dasselbe sind, daß eine an die Stelle der andern
geseßt, und das Werk, welches jenen Punkt ausgedrückt hat, auf völlig
gleiche Weise unter beiden Eigenschaften betrachtet werden kann. Haltet
ihr es also nicht für nöthig, daß wir vor allem übereinzukommen suchen,
was Wahrheit, dann auch was Schönheit zu nennen sey, damit wir
nicht entweder irgend etwas, was nur untergeordneter Weise dafür ge-
halten wird, der Schönheit gleichstellen, oder, indem wir diese Wahrheit,
die es nicht an sich ist, als unvergleichbar mit der Schönheit setzen,
das, was allein wahrhaft Wahrheit ist, zugleih mit aus den Augen
verlieren ?
Lucian, Ein würdiger Stoff und Gegenstand der Unterredung.
Anselmo. Bist du es aber zufrieden, o Vortrefflicher, der du
ver Wahrheit vor der Schönheit den Preis zuerkannt hast, unbekümmert,
daß sie wenige zählt, die ihr strenges Antlik ertragen oder den Anblick
ver Aegide, so wende ich mich an dich.
Alexander. Sehr gern folg' ich dir, o Freund, mich über die
Ivee der Wahrheit zu verständigen.
Anselmo. Die Wahrheit also über alles uud selbst über die
Schönheit sezend, o Freund, wirst du um so weniger anstehn können,
ihr auch ferner die höchsten Eigenschaften beizulegen, und diesen ehr-
würdigen Namen nicht wie es kommt auf alles anwenden lassen, was
man in8gemein darunter begreift.
Alexander. Gewiß.
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