Full text: 1802 - 1803 (1. Abtheilung, 5. Band)

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8.32... Die: Götter sind an sich weder sittlich no< un- 
sittlich, sondern lo8gesprohen von diesem Verhältniß, ab- 
5; solut selig. 
(Dieß ist nothwendig festzuhalten, um den gehörigen Gesichtspunkt 
vorzüglich für Homers- Dichtungen zu fassen. Es ist bekannt, wie. viel 
über. die Unsittlichkeit seiner Götter gesprochen worden ist; man "hat 
daraus selbst vie Vorzüge der modernen Poesie beweisen wollen. Allein 
daß dieser Maßstab auf diese höheren Wesen der „Phantasie nicht än- 
gewendet werden könne, erhellt aus Folgendem). 
Beweis: Sittlichkeit wie Unsittlichkeit beruht auf Entzweiung, 
4" indem Sittlichkeit nichts anderes ist als Aufnahme .des Endlichen ins 
in | Unendliche im Handeln. Allein da, wo beide bis zur absoluten In- 
differenz eins sind, fällt nothwendig auch jenes, demnach Sittlichkeit, 
ih. und mit dieser ihr Entgegengesetztes hinweg. Die Unsittlichkeit spricht 
sich an den homerishen Göttern eben deßwegen nicht als Unsittlichfeit, 
sondern nur als reine Begrenzung aus. Sie handeln durchaus inner- 
halb dieser Begrenzung , und sind nur insofern göttlich, als sie inner- 
halb derselben handeln; nur-so ist das Unendliche mit. dem Begrenzten 
in ihnen wahrhaft eins. Sie sind zu betrachten als Wesen einer hö- 
heren Natur. Sie handeln innerhalb ihrer Begrenzung so frei und 
nothwendig zugleich, als jedes Naturwesen innerhalb der seinigen; 
frei, weil es ihre Natur -ist so zu handeln und sie kein“ anderes 
Gesetz kennen als ihre Natur, nothwendig, aus demselben Grunde, 
weil «ihr Handeln ihnen durch ihre Natur vorgeschrieben ist. Die home- 
rischen Götter sind daher in ihrer Unsittlichkeit uur naiv und wahrhaft 
weder sittlich noch unsittlich, sondern ganz freigesprohen von diesem 
Gegensatz. 
Wir können denselben Satz nun auch so ausdrücken: die Götter 
sind absolut selig. Kein anderes Beiwort tragen sie häufiger; ihr 
Leben macht den beständigen Gegensatz gegen das menschliche, welches 
voll Mühe , Zwietracht , der Krankheit und dem Alter unterworfen ist. 
Auch bei Sophokles sagt der alte Oedipus zu Theseus: ' 
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