Full text: 1802 - 1803 (1. Abtheilung, 5. Band)

729 
Dieß ist der kurze Inhalt dieser Tragödie, in welcher , wie offen- 
bar ist, das meiste durch höhere Sci>ung geschieht und dur< ein 
hristliches Schi>sal verhängt ist, nach wel<em Sünder seyn müssen, 
damit an ihnen die Macht der göttlichen Gnade offenbar werde. Dieß 
entscheidet über das Wesentliche dieser Tragödie, die weder höllischer 
Mächte zur Verführung, noch der bloß äußeren Nemesis zur Strafe bedarf. 
Wenn wir daher in Shakespeare eigentlih nur den unendlichen 
Verstand, der dadur<, daß er unendlich ist, als Vernunft erscheint, 
| bewundern, so müssen wir in Calderon die Bernunft erkennen. Es 
. | sind nicht vein wirkliche Verhältnisse, in die ein unergründlicher Ver- 
ebw eie; stand den Widerschein einer absoluten Welt legt, es sind absolute Ber- 
y näre hältnisse, es ist die absolute Welt selbst. 
[uf iM Calderon, obgleich die Züge seiner Charaktere groß und mit un- 
(wehen ij: gemeiner Schärfe und Sicherheit angegeben sind, bedarf doch des 
die weite Charakteristischen weniger, weil er ein wahreres Schicfal hat. 
8 Wiz, Aber ebenso sehr müssen wir Calderon in Rücksiht auf die innere 
Ret. ud Form der Komposition erheben. Stellen wir das angeführte Werk 
zu Cuselie unter den höchsten Maßstab, den, daß die Absicht des Künstlers in das 
nem alg Werk selbst übergegangen, mit ihm völlig eins und eben durch diese 
ia in Min absolute Erkennbarkeit wieder unerkennbar sey, so ist er in dieser Be- 
(dil ver ziehung nur mit Saphokles zu vergleichen. 
to, der wit Im Shakespeare beruht die Objektivirung und Unerkennbarkeit der 
2 hört, wet: Absicht als solcher nur auf der Unergründlichkeit , Calderon ist ganz durh- 
d im Bi sichtig, man sieht bis auf den Grund seiner Absicht, ja er spricht sie 
an I nicht selten selbst aus, wie Sophokles oft thut, und doch ist sie mit dem 
Objekt so verschmolzen, daß sie nicht mehr als Absicht erscheint, wie 
in einem Krystall das vollkommenste Gewebe, aber unerkennbar , dar- 
gestellt ist. Diese höchste und absolute Besonnenheit , Diese letzte In- 
differenz von Absicht und Nothwendigkeit ist unter den Neueren nur in 
| Calderon auf solche Weise erreicht. Es gehört zu dieser Durchsichtigkeit 
. wü schon, daß das Ueberflüssige der Begleitung in ihm nicht so mit ver- 
g worn arbeitet feyn fann wie in Shafespeare. Die ganze Form ist con- 
" centrirter, und obwohl auch hier die komischen Partien neben den
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.