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tragischen bestehen , so haben sie von der einen Seite doh nicht das große
Gewicht wie bei Shakespeare, und sind von der anderen mit den tra-
gis<en mehr wie aus Einem Guß unauflöslich vers<molzen.
Man würde sich sehr irren, wenn man in dem Werk des Calderon
eine fromme und heilige Darstellung erwartete, wie die meisten aus
Unkunde sol<e Werke sich denken: es ist keine Genoveva, wo der Ka-
tholicigmus absichtlih fromm und im höchsten Grad trübe genommen
ist, es ist vielmehr eine dur<aus poetische und unauslöschliche Heiter-
keit darin; es ist alles, im höchsten Styl, profan darin, ausgenommen
die Kunst selbst, wel<e wahrhaft heilig erscheint.
Die Construftion des Ganzen ist rationeller, in einem Maß wie
man es der modernen Poesie wahrscheinlich nicht zugetraut hätte , wenn
man ihren Charakter allein von Shakespeare abstrahirte. Die zerstreuten
Principien der romantischen Gattung hat Calderon in eine strengere
Einheit gefaßt, die sich der wahren Schönheit nähert. Er hat, ohne
die alten Regeln zu beobachten, die Handlung zusammengedrängt ; sein
Drama ist vramatischer und daher schon reiner. Innerhalb dieser Form
ist er immer reine Gestaltung neben der höchsten Farbe, so daß im
Großen und im Kleinen bis auf die Wahl des Sylbenmaßes Form
und Stoff aufs innigste sih durchdringen. Die Motivirung ist nicht
vernachlässigt, aber sie drängt sich nicht vor, sie ist ganz integrirender
Theil der Organisation des Ganzen, von dem sich nichts hinwegnehmen,
und dem sich nichts zuseßen läßt. Sie ist im- Ganzen immer auf
Schi>ung gegründet, obgleich sie im Einzelnen 2) als Zufall sich
zeigen kann, wie wenn Julia die Leiter nicht mehr findet, b) als sitt-
lich, da der angeregte Aufruhr ihrer Brust sie zu Verbrechen treibt,
aber auch ganz absolut in ver Erscheinung und Wiederersheinung des
Priesters.
Endlich, was Calderon dur< die höhere Welt voraus hat, auf
die seine Poesie sich gründet, ist, daß die Versöhnung zugleich mit der
Sünde, und mit der Differenz unmittelbar auc< die Nothwendigkeit
bereitet ist. Er behandelt die Wunder seiner Religion wie eine un-
umstößlihe Mythologie, den Glauben daran als die unbesiegbare