Full text: Paläogeographie ([4.Teil])

©} Scheidung von Kontinent und Ozean. 
Die heutigen wirklichen oder scheinbaren Hebungen und Senkungen der Land- 
flächen geben uns darüber keinen Aufschluß; der Aktualismus versagt auch hier. 
Was wir heute von Hebungen beobachten, die man sicher als Bewegungen des 
Festen, nicht als eustatische Meeresspiegelschwankungen ansehen muß, haben nichts 
mit Faltungen oder gar Überfaltungen nach Art alpiner Streifen zu tun. Die An- 
deutungen, welche uns die Küstenterrassen der nordischen Länder und Südamerikas 
oder des niederländischen Archipels geben, können nur als Zeichen epirogenetischer 
Bewegungen angesprochen werden. Die Behauptung, daß die S-förmige Nord-Süd- 
schwelle im Atlantik ein werdendes, auftauchendes Faltengebirge sei, ist mehr 
als gewagt. 
14. Gebirgsbildung und Scheidung von Kontinent und Ozean. 
Literatur: Hier einschlägig die Literatur der Abschnitte 6 bis 11; ferner: Abel 0., Grund- 
züge der Paläobiologie der Wirbeltiere, S. 452. Stuttgart 1912. — Dacque E., Tiefsee und 
Faltengebirge. 55. Ber. Senckenbg. Naturf. Ges. 5.339, 377. Frankfurt a. M. 1925. — 
Walther J., Über Entstehung und Besiedlung der Tiefseebecken. Naturw. Wochenschr. 
N. F. Bd. 3. 8. 721. Jena 1904 
Betrachtet man die im Abschnitt 9 (S. 30) gegebene hypsographische Kurve, so 
könnte es den Eindruck machen, als ob die höchsten Landhöhen fernab vom Meere 
lägen, die tiefsten Meeressenken fernab vom Lande. Das kann so sein, ist aber nicht 
immer der Fall, zumal gerade die meisten ozeanischen Gräben sich sehr dem Festland 
nähern oder unmittelbar bei Inselgürteln liegen. Umgekehrt treten alpine Gebiete 
unmittelbar in das Meer hinein, wie im Mediterrangebiet, am Westrand des Atlas 
oder bei älteren Gebirgskörpern, wie die nordeuropäischen Kaledoniden, also etwa die 
Fijorde Skandinaviens. Insofern ist, wie schon früher erwähnt, die Kurve kein un- 
mittelbares Abbild der Erdoberfläche, aber sie zeigt uns im Verein mit den Schwere- 
messungen, die wahre Doppellage der Erdkruste (S. 31). Daraus war es möglich, den 
Begriff „„Meer‘* zu spezifizieren und klar auf der heutigen Erdoberfläche zwischen 
epikontinentaler oder Flachsee und ozeanischer oder Tiefsee zu unterscheiden. 
Wir sagten, daß man damit bei jeder Erörterung des vorweltlichen Land- und Meeres- 
wechsels sich die Frage ganz präzise stellen müße, ob ein Austausch von Flachsee- 
boden und Trockenland oder ein unbedingter Wechsel zwischen Tiefseeboden und 
Kontinentalkruste stattgefunden habe. Daß diese Frage, trotz ihrer exakten Heraus- 
arbeitung auf Grund der Geophysik und trotz einer soweit wenigstens ent- 
sprechenden Lösung durch Wegeners Kontinentalverschiebungstheorie doch noch 
weit davon entfernt ist, unter den Geologen irgendwelche Einigkeit gebracht zu 
haben, beweist, daß hier noch mehr an ungelösten Problemen steckt. 
Um klarer zu sehen, wird man sich die Frage zu stellen haben, ob auch unsere 
hohen Faltengebirge alpinen Charakters aus ozeanischem oder nur aus epikonti- 
nentalem Flachmeergebiet aufgetaucht sind? 
Kober ist ein entschiedener Anhänger der Meinung, daß die alpinen Geosynklinal- 
meere wesentlich „Tiefsee‘“ waren?). Ihn zitieren wir hier, um den Gegenpol für unsere eigene 
Darlegung kräftig hervortreten zu lassen. Er bezeichnet u. a. die roten alpinen. Kalke, die 
Kalkschiefer mit Radiolariten als „abyssale‘ Bildungen. Gerade solche Gesteine seien 
ı) Kober, Bau der Erde. S. 34, 143, 296 ff. 
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