Full text: Paläogeographie ([4.Teil])

in) Scheidung von Kontinent und Ozean, 
die früher für Sedimente eines tiefen Meeres gehaltenen Schichten sind es nicht, wie 
die fortschreitende Kartierung der Alpen gelehrt hat. So bilden die fleischroten und 
grauen Hallstädter Kalke, die z. B. Kober noch für Tiefseebildungen anspricht, mit 
ihren herrlichen Kephalopodenfaunen lediglich Einlagerungen in den Dolomitriffen 
des Flachwassers: die Radiolarite und die Foraminiferenmergel des Jura und der 
Kreide stehen in engster Wechselbeziehung mit Flachwasserschichten, die ihnen 
zum Teil eingelagert sind. 
So kommen wir zu dem Schluß: 1. daß das alpine Meer stets wesentlich den 
Charakter von Flachsee hatte, mit einzelnen sehr großen landabgelegenen Ver- 
tiefungen, in denen die terrigen unbeeinflußten Radiolarite und Kieselkalke und 
Foraminiferenmergel sich bilden konnten; 2. daß das alpine Meer als Ganzes, äußer- 
lich angesehen, nie eine tiefe Wanne oder eine Tiefsee war, daß es aber im ganzen 
unter stetem unterbrechendem Hin- und Herpendeln so viel etwa sank, als Sedi- 
mentmassen darin abgelagert wurden. 
Das ist der Charakter der alpinen Geosynklinalen, die im Kapitel 11 ausführlich 
dargestellt wurden und von denen dort schon gesagt wurde, daß sie auch Geschwister 
hatten, die heute nicht als Faltengebirge in die Luft ragen, sondern die entweder 
ziemlich flach geblieben sind oder Flachmeerteile bilden (Nordsibirien), oder gar zu 
Tiefsee geworden sind (Straße von Mozambique bis Arabien hinauf). Da die Alpen- 
gebirge also, wie gezeigt, nur extremste Ausschläge der steten wechselnden Be- 
wegungen der Geosynklinalen sind, so wäre ein Herabsinken zur Tiefsee eben ein 
extremster Ausschlag nach der Gegenseite, nach abwärts. Wir kennen die Ab- 
lagerungen der mesozoischen madagassischen Geosynklinale, die heute größtenteils 
Tiefsee ist; dort bildeten sich im Mesozoikum auch reine Flachwasserschichten. 
Daraus ergibt sich, daß ehemaliger Flachmeerboden Tiefsee wurde und daß die Ent- 
stehung von Tiefsee, in solchen Fällen wenigstens, das Komplement zur Falten- 
gebirgsbildung ist. Da aber die Faltengebirgsbildung, wie S. 51 gezeigt, zugleich 
den Kontinent verstärkt und individualisiert, so ergibt sich daraus zugleich, daß 
Herausarbeitung des Kontinentalen und Bildung von Tiefsee im Komplementär- 
verhältnis stehen. Wir können auch unmittelbar nachweisen, daß schon gefaltete 
Gebirgsteile nachträglich wieder zu Tiefsee abgesunken sind; so der Westatlas im 
Atlantischen Ozean, Teile des Antillenbogens und der japanische Streifen, dessen 
Inseln nur Reste des umliegend zur Tiefsee niedergegangenen ostasiatischen Faltungs- 
bogens sind, der ja, wie wir erschreckend sehen, auch heute noch nicht zur end- 
gültigen Ruhe gekommen zu sein scheint. 
Die Frage ist bis hierher klar: Alpengebirge sind nicht aus Tiefsee im heutigen 
Sinne hervorgegangen, aber ihre ehemaligen Meeresstreifen und ihre aufgefalteten 
Körper konnten und können zu Tiefsee werden und sind es geworden. 
Es gibt aber auch noch ältere Faltengebirge, die im Mesozoikum schon längst 
wieder abgetragen und teilweise auch schon wieder unter die mesozoischen Meere 
geraten waren und neu mit Sediment bedeckt wurden; später wurden sie zusammen 
mit der tertiären Alpenfaltung wieder gehoben, aberodiert, ihre Stümpfe neu zer- 
schnitten, und so ragen heute etwa Harz, Schwarzwald, Vogesen, Ardennen, Riesen- 
gebirge und am großartigsten die zentralasiatischen Hochgebirge wieder als scheinbar 
junge Gebirge morphologisch heraus; teilweise bleiben sie auch nieder und hügelig 
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