7 Scheidung von Kontinent und Ozean.
So eröffnet uns die Tatsache, daß Faltengebirge zwar aus dem Meer aufgetaucht
sind, aber nie aus Tiefsee im heutigen Sinne, ferner die Tatsache, daß Gebirge und
Landteile und werdende Gebirgsböden zu Tiefsee geworden sind; endlich daß der
heutige morphologische, lithologische und isostatische Gegensatz erst spät gereift
ist — dies alles eröffnet uns einen Ausblick auf ein dahinter neu auftauchendes
Problem, womit wir wieder in die auf Seite 8 aufgeworfene Frage einmünden, ob
wir kosmische Zufuhren im Laufe der Erdgeschichte in entscheidender Menge be-
kommen haben: es ist das Problem der Wasservermehrung auf der Erdoberfläche.
Wir können eine bedeutende Schrumpfung des Erdkörpers seit kambrischer Zeit aus
den auf Seite 24 dargelegten Gründen nicht zugeben; wir müssen aus bestimmtesten
Tatsachen schließen, daß sich die heutige Tiefsee erst allmählich und spät entwickelt
hat; wir müssen ausgedehnte Zwischenmeere annehmen und wissen bestimmt, daß
im Gebiet der heutigen Kontinentalflächen stets nur Land und Flachsee mit ver-
schwindend wenig tieferen Rinnen gelegen hat. Wo soll also damals das Ozeanwasser
gestanden haben, wenn der Platz hierfür noch nicht da war und wenn andererseits die
Kontinentalgebiete dieses Wasser nicht trugen, oder wenn sich der Erdradius nicht
um etwa 10% verkürzt hat, was ja unmöglich ist?
Das Wasser muß sich daher wesentlich vermehrt haben. Es gibt zwei mögliche
Quellen dafür: die Magmazone mit ihrer Entgasung oder der Weltraum.
Die heutigen Vulkane liefern nur wenig Wasserdampf, und wenn auch der
Vulkanismus zeitweise (Devon, Perm, Tertiär) erheblich stärker als heute war, so
ist auf Grund der Gesteinsanalogien doch nicht anzunehmen, daß die Wasser-
exhalationen in ihrer Gesamtheit während der erdgeschichtlich erkennbaren Zeit
reichlicher gewesen wären, als die gleichzeitig und stetig vor sich gehende Bindung des
Wassers durch die immerwährende Silikatzersetzung. Und selbst wenn starke
Wasserdampfexhalationen zeitweise gekommen wären, die wir nicht kennen, so
wären es immerhin doch noch nicht ozeanische Massen gewesen. Aber sicher ist,
daß. seit dem Spätmesozoikum, wo solche Wassermassen besonders stark zugeflossen
sein müßten, ein solcher Vulkanismus nicht existierte. Ferner wissen wir bis heute
noch nicht einmal, ob das von den Vulkanzentren ausgestoßene Wasser juvenil oder
vados ist, d. h. ob es Oberflächensickerwasser oder primäres Entgasungswasser des
Erdinnern ist.
Damit aber gewinnt auch vom paläogeographischen Standpunkt aus ein neuer-
dings viel diskutierter Gedanke Bedeutung, wonach aus dem Weltraum wasser-
haltige Körper oder reine Eiskörper uns zugekommen sein können. Hierin liegt aber
eine neue grundlegende Verknüpfung astronomischer und paläogeographischer
Forschung, die wiederum zeigt, von welcher Weite und Tiefe eine bis zu Ende durch-
gedachte paläogeographische Problemstellung auch für die sonst selbständigen
Nachbarwissenschaften ist.
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