Full text: Philosophie der Mythologie (2. Abtheilung, 2. Band)

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dieß in Babylon“ erst nach der persischen Eroberung Sitte wurde (auch 
spricht er ja immer nur von 7-yye/7xeg). Auf diesen-spätern Stand der 
Dinge beziehen sich also die Erzählungen, welche man bei Curtius und 
andern spätern Schriftstellern über babylonische Sittenlosigkeit findet *. 
Waren es nun verehelichte Frauen, -vverrxeg, die auf solhe-Weise 
der Mylitta dienten, so erhöht sich dadurch allerdings die Unbegreiflich- 
keit eines so auffallenden Gebrauchs unter einem Volk, dem die Che und 
eheliche Verbindung ein Gegenstand so großer Sorgfalt war, und uur 
eine religiöse (versteht sich, eine fals< religiöse) Vorstellung war“ im 
Stande, ursprünglich einen sol<en Gebrauc< einzuführen und zu be- 
glaubigen. Uebrigens gerade der Umstand, daß die Entfernung von 
vem ältesten Gott als Ehebruch empfunden wurde =- ein Gefühl, 
das bei. den nächsten Völkern schon verloren ist, das Volk Israel schon 
muß daran erinnert werden =- gerade jener Umstand deutet noch auf 
das erste Erschrefen des Bewußtseyus und bezeichnet die Babylonier 
wohl überhaupt als die ältesten Verehrer der. Urania.. 
Indeß sind nun weiter zwei Ansichten möglich. CEntweder, daß 
jener Gebrauch, durch den sie sich der Mylitta weihten, also dem aus- 
schließlichen Gott absagten, daß dieser gleichsam als Hohn und Berspot- 
tung jener früheren Gewalt, der sie sich hiemit entzogen, gemeint war. 
Darin wäre dann ein psychologischer Zug erkennbar, der in der Ge- 
schichte ves Aberglaubens allezeit uicht selten wahrgenommen wird. Ju8- 
besondere wird jeder, der die Erscheinungen, welche die erste Entstehung 
der Mythologie begleiten, aufmerksam beobachtet und verfolgt hat, die 
Bemerkung gemacht haben -- und wir selbst werden in ver Folge noch 
mehrmals Gelegenheit haben diese Bemerkung zu machen =-, daß jeder- 
zeit die Verehrung zuerst hervortretender weiblicher Gottheiten dur< Un- 
gebundenheit, dur< ausschweifende, zügellose Lust sich verkündet. Denn 
jede solche weibliche Gottheit deutet auf die Ueberwindung eines frühern 
! Bei Curtius heißt es V, 1: Nibil urbis ejus corruptius moribus, nihil 
ad irritandas liciendasque immodicas voluptates instructius. Liberos 
conjugesque cum hospitibus stupro coire, modo pretium 
flagitii detur. parentes maritique patiuntur:
	        
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