Full text: Philosophie der Mythologie (2. Abtheilung, 2. Band)

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1 Figur erkennen wollten, sahen in dem Ausdruck derselben unstreitig das 
Gefühl des gegen den früheren Gemahl begangenen Unrechts; ein Unrecht 
gegen den Gemahl begeht aber auch Rhea, inwiefern sie weiß, daß die 
Kinder, die aus dieser Verbindung entspringen werden, einst ven Vater 
überwältigen und an seiner Statt herrschen sollen. Hätte man nach der 
zweiten Ansicht die drei Söhne, Zeus mit inbegriffen, als schon ge- 
borene und nur noch verborgene und vom Licht verbannte sich zu denken, 
so müßte man im Gegentheil im Gesicht der Rhea den Ausdru des 
Unmuths über das Sisal ihrer Kinder und ihre Weigerung zu fer- 
neren Geburten erfennen. Hätte der Künstler dieß ausdrücen wollen, 
; so hätte er statt des großen, ursprünglichen Verhältnisses ein unterge- 
ordnetes und sehr gemeines zum Gegenstand seiner Darstellung gewählt. 
Sein Werk ist niht von der Beschaffenheit, um ihm eine solche Wahl 
zuzutrauen; das Inngfräuliche neben dem hö<hst Ahndungsvollen im 
Gesicht ver Rhea läßt nicht zweifeln, daß hier die erste Verbindung des 
Kronos mit der Rhea dargestellt sey. Man glaubt die Rhea, wie sie 
Hesiodos beschreibt, zu sehen: 
"Pein & av Sundtelöa Koovp tire paldiua r4wa, 
Rhea , wie sie Kronos zuerst bezwingt. Diese Gewißheit, die man auch 
unabhängig von dem bräutlichen Ringen nicht abweisen kann, daß hier die 
erste Berbindung des Kronos mit der Rhea dargestellt ist, entscheidet 
auch über den andern, bis jezt no<h zweifelhaft gebliebenen Punkt; die 
drei Söhne sind nicht die schon geborenen, nur eingeschlossenen und 
vom Licht abgehaltenen; sie sind die schlechthin zukünftigen, noch unter 
der Gegenwart verborgenen, denen erst durch die eben sich schließende 
Verbindung geboren zu werden bestimmt ist. Das ganze Gemälde 
nimmt dadurch jenen erhabenen symbolischen Charakter an, den wir 
nur in den großartigsten Darstellungen des Alterthums finden. Es ist 
dadurc< erst vom gemein historischen Standpunkt völlig hinweggehoben 
und erscheint als das Werk nicht bloß einer geschidten Hand, sondern 
eines fühn denfenden Geistes, der, indem ex uns neben der in der 
Gegenwart vorgehenden Berbindung zugleich die mit dieser geseßte 
Zukunft zeigt, uns vom gegenwärtigen Moment befreiend hinweghebt
	        
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