geworden als jener. In Tausenden von Exemplaren flatterten die Blätter über
Deutschland hin — ungeachtet der reaktionären Gesinnung, die bei An-
hängern des Umsturzes Entrüstung erregen mußte. Der Ton einer schlicht
eindringlichen Volksweise ist von Anfang bis zu Ende festgehalten. Nur das
erste Blatt hat in der Gruppe der allegorischen Unholdinnen etwas Befangenes. <
Dann aber reiht sich ein Meisterwerk an das andere, bis zu dem pathetischen ©
Schlußbild, wo der Tod mit entrollter Fahne langsam als Sieger auf müdem
Gaul die Barrikade erreitet (Tafel XXXVII, XXXVIII). — Der Vergleich 7
mit Holbein braucht nicht gescheut zu werden. Auch Holbein hatte zu
seinem Volke gesprochen, und im Totentanz mehr als in irgendeinem
seiner Werke. Sein gezeichnetes Volkslied war auf den Ton einer grausam
lustigen Landsknechtweise gestimmt; er war wie immer so auch hier ganz ;
unpathetisch. Erstaunlich ist es nun, wie die Seele des modernen Menschen,
der Holbein und die Jahrhunderte, die auf ihn folgten, erfahren oder ererbt
hatte, auf einmal die schlichte Stimme des echten Pathos nicht theatralisch,
vielmehr naiv zu finden weiß. Der zeichnerische Ausdruck Rethels entspricht
vollkommen seinem Gefühl, ist derb, knapp, schmucklos, ein klassischer n
Holzschnittstil.
Noch zwei Todesbilder hat Rethel im Holzschnitt ausgehen lassen, den Y
Tod als Würger, wie er auf einem Maskenball erscheint, und den Tod als ‚
Freund, der dem alten Glöckner sein Amt abnimmt, um das Ave Maria einzu-
läuten. Sie sind so volkstümlich geworden wie nur je ein Holzschnitt unserer ‘
großen Meister der Reformationszeit, so sehr, daß man wie beim Volkslied 3
ihren Meister vergaß.
Von der Monumentalmalerei kehren wir zur Landschaft zurück. Wie Runge
richtig vorausgesehen, wurde sie die wesentlich neue Aufgabe des Jahrhunderts.
Sie war die schöpferische Leistung der Klassizisten gewesen und die Erfrischung ;
in den Gemälden der Nazarener. Aus ihr erblühte nun auch die Kunst der .
späten Romantiker von Ludwig Richter und Schwind bis zu Böcklin. Sie ,
spiegelt am treuesten den Wandel des Zeitgeistes von der geheimnisvoll
keuschen Gesinnung der romantischen Frühzeit bei Friedrich bis zu dem
weitausgreifenden Pathos der Preller und Rottmann und weiter zur satten
Bürgerlichkeit der Achenbach und ihrer Zeitgenossen. Sie war es, aus der ,
schließlich auch der Impressionismus hervorging, dessen Stil der des aus- .
gehenden Jahrhunderts wurde. In unserer Schilderung romantischer Kunst
ist hier Carl Rottmann (1797—1850) zu nennen, aus Handschuhsheim :
bei Heidelberg gebürtig, der bald der führende Landschafter des romantischen
München wurde. Ein erregter, vielseitig für seine Aufgabe begabter Mann. ;
Wie seine frühen Arbeiten, zumal die Studien, beweisen, steckte in ihm gleich
manchem seiner norddeutschen Zeitgenossen keimhaft ein Impressionist, |
einer, der mit lockerem Pinsel die alles umhüllende Atmosphäre zu malen
versteht und das Licht, das sie durchflutet. Die abgebildete kleine Land-
schaft von Wertheim in der Hamburger Kunsthalle bezeugt es beispielsweise
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