beherrscht von bräunlichen Tönen. Darin näherte er sich den Holländern
des siebzehnten Jahrhunderts.
Ihm folgte Eugene Delacroix (1798 — 1863) als sein Erbe und Fortsetzer.
Dem Rückblickenden schließen sich beide fast zu einer Einheit zusammen.
Denn Gericault mag im ganzen genommen als die Jugend Delacroix’ gelten.
Was er in naivem Drange erstrebt hatte, wurde von Delacroix besonnen bis
zu seinen letzten Folgerungen fortgeführt. Ein merkwürdig zusammengesetz-
ter Mann! Ein glühender Schaffender und ein kalter Kritiker in einem, einer,
der es wie wenige vermochte, sich über’'sich selbst zu erheben und das eigene
Werk streng prüfend abzuwägen; einer, der durch solche Prüfung indessen
nie gelähmt wurde, der auch trotz aller beständig erweiterten Kenntnis fremder
Kunst nicht den Antrieb zum Aufsuchen neuer eigener Ziele verlor; einer,
der sich stets erneuerte und am Ende seiner Laufbahn in einem gebrochenen
Körper so stark und jung dastand wie an deren Beginn. So konnte ihn weder
der Erfolg noch der Mißerfolg an das Erreichte fesseln. Die Gefahr des Er-
folges drohte ihm schon mit dreiundzwanzig Jahren, als er mit seiner Dante-
barke laute Begeisterung entfachte (Abb. 467). Da war alles, was Gericault
vermocht hatte, nur konzentrierter, monumental in einer gebändigten Leiden-
schaıt. Das Bild ist vielleicht die einzige Illustration, die es wagen darf, sich
neben der Größe der Dichtung zu behaupten. Man sagt, daß Delacroix sich
über der Arbeit aus der Divina commedia habe vorlesen lassen, und wahrhaftig
wurde er von einem Geisteshauch des Florentiners berührt. Das Bild stellt alles
sehr körperlich dar, sehr plastisch; man meint, es warte auf einen Bildhauer,
der diesen oder jenen Leib in Marmor übertrüge. Dennoch wirkt es wie ein
Traum. Wie Nachtmahre entsteigen die Verdammten der Flut des stygischen
Sumpfes, und wie von schwerem Traum befangen hebt Dante abwehrend die
Hand. Und gerade weil es so ist, darf Delacroix neben Dante bestehen.
Wie war es möglich, daß er sich über diese Größe seiner Jugend erhob?
Die Zeitgenossen meinten denn auch, er habe es nicht vermocht. Bald nach-
dem die Dantebarke vollendet war, nahm er ein neues größeres Bild in Angriff,
dessen Motiv dem griechischen Freiheitskampfe entnommen war, der damals
alle Gemüter bewegte, das Gemetzel von Chios (Abb. 468). Hier wird eine andere
Tonart angeschlagen. Die Geistesnähe von Rubens wird spürbar in diesen
Greueln der Vernichtung, diesen Gruppen oder zusammengeballten Haufen halb-
nackter Toter und Todwunder. Der Neuere treilich bezähmt sich, wo Rubens
wie ein schwelgerischer Triumphator mit Märtyrern und ihren Schergen
schaltet, als wäre alles nur für seine ‚Augenweide geschaffen. Die Palette
Delacroix’ hat sich hier bereichert, und sein Vortrag dient in unruhigen, ver-
einzelt nebeneinander gesetzten Pinselstrichen der koloristischen Absicht.
Er hatte in wenigen Tagen sein großes Bild noch einmal übermalt, nachdem
ihm durch eine Ausstellung von Landschaften Constables die Augen geöffnet
waren über neue Möglichkeiten der farbigen Wirkung. Nun erst fühlte er sich
im Sattel, und von hier an beginnt sein eigentlicher Siegeslauf. Noch ein
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