Full text: Die Kunst des Klassizismus und der Romantik (14)

ren. Be- daß sie das Lieblingsinstrument des Genies werden würde! Daumier mußte 
erst kommen, um uns zu zeigen, daß der Lithographie Mittel einer leiden- 
370) der schaftlichen Rhetorik zu Gebote stehen, die jeder anderen graphischen Kunst 
Ansehen versagt sind. Nicht einmal Delacroix hatte das begriffen und Menzel erst 
rdneten recht nicht, dem die Steinzeichnung, wie alles, zu einem verzwickten Problem 
Ss Maler- der Fein- und Kleinkunst wurde. 
freilich Aus der früheren Zeit, da Daumier noch eine ziemlich plastische Präzision 
des Ab- erstrebte, finden sich unbezahlbare mörderische Karikaturen auf die poli- 
ante nur tischen Größen, nicht zumindest auf den Bürgerkönig Louis Philippe; auch 
hm ver- ein Blatt von großem Pathos wie die Liberte de la Presse kommt bereits 
bitterer damals vor (Tafel XLV). Allmählich kürzt er sein Verfahren ab, schießt auf 
wohnte. die Russen während des Krimkrieges höhnische Epigramme ab und erhebt sich 
‚ihn her in den. sechziger Jahren zu seiner ganzen Größe. Zu seinen späten und nicht 
sbetrieb geringsten Blättern gehören einige bittere Kommentare zum Deutsch-Franzö- 
;ben der sischen Krieg. — Daumier war auch Maler. Was für ein Maler! Ein Dämon 
inn und der Malerei, der mit flüssigem Pinsel in gedämpften oder düsteren Tönen seine 
inander Visionen improvisierend mit flackernden Strichen hinschrieb. Lauter Visionen, 
die der soviel ich weiß keine einzige Naturstudie. Jeder Quadratzoll ist ein Stück 
cbreiten zuckenden Lebens. Die Themen seiner Lithographie kommen auch hier vor, 
lie sich die scheußlichen Großstädter, die Proletarier oder Geschöpfe der Phantasie, 
ıwelgen wie Don Quixote, auch einmal ganz groß gesehen der dunkle Umriß eines 
ı Inter- Ecce Homo. Der Umriß! Es ist die besondere Kraft Daumiers, im kleinen 
Ideale, Rahmen seine Mittel so zusammenzuhalten, so viel Einzelheit zu unterdrücken, 
ganzes daß im Gegensatz von Hell und Dunkel der Umriß in dämonischer Größe zu 
] weiter uns spricht. Diese Gemälde waren Monologe, nicht für das Publikum bestimmt. 
ottfigur Die romantische Bewegung der französischen Kunst hat sich in Gericault, 
auf das Delacroix und Daumier im wesentlichen ausgelebt, doch findet sie ein Nach- 
relassen spiel in einem Vertreter der nächsten Generation, der, wenn auch geringeren 
einmal Ranges, immerhin nicht zu übersehen ist, in Gustave Dore (1832—1883), 
‚entaler einem Straßburger, der in jungen Jahren nach Paris gelangte. Er war viel- 
Uschaft seitig begabt, aber zuchtlos und von dem ordinären Ehrgeiz besessen, unter 
ı Rede- allen Umständen eine Rolle zu spielen. Seiner brodelnden Phantasie ent- 
Wahr- quollen unerschöpflich Einfälle, die er als Illustrationen verwertete. Jeder 
Trink- Stoff war ihm recht, doch am angemessensten erwiesen sich ihm wohl Rabe- 
lais oder der Balzac der Contes drölatiques, die er auf seine Art in grotesken 
jungen und Bhantastischen Zeichnungen ausspann mit einem Zug ins Gespenstische. 
ren. zu Eben dieser Charakter des aufregend Sensationellen und Dämonischen, der 
eit der auch die Würze von Dores nicht geringem Humor ausmacht, schuf ihm eine 
seinen große Gemeinde (Abb. 475—477). Er wurde der populärste Illustrator des 
ge der zweiten Kaiserreiches, von einem Ende Europas bis zum anderen berühmt. 
chäfts- Am glücklichsten erscheint er uns in leichteren, für den Faksimileholzschnitt 
m, wer bestimmten Vignetten, z. B. für die drollige Histoire de la Sainte Russie, deren 
halten, Text er selber (während des Krimkrieges!) schrieb. Doch sah er dergleichen 
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