Full text: Die Kunst des Klassizismus und der Romantik (14)

fassung von ihm abgefallen und der Gereifte erschien verjüngt als ein naturalistisch 
1aotisch romantischer Revolutionär. Zugleich aber wird es nun deutlich, in welchem 
chon in Sinne ihm die Mahnung des berühmten Mathematikers zum Segen gereicht 
endenz. war. Denn das Gegengewicht des feurigen Temperamentes, aus dem er seine 
zentlich Gestalten formt, ist allerdings ein sehr fühlbares Bewußtsein der verborgenen 
ıs. Das Gesetze ihrer Statik und Dynamik. Eben dies verbürgt ihre höhere Realität, 
ewissen eine Körperhaftigkeit, welche die bewegteste Gruppe Rudes von den schweben- 
rmalen den und gleitenden Formen seiner geistverwandten Nachfolger (Carpeaux, 
ldhauer Rodin) unterscheidet. In Rude lebt etwas, das an die Meister der Früh- 
antiker renaissance erinnert — seine jugendliche Gewalt des Ausdrucks, die ohne 
jelmehr Zögern bereit ist, der Wahrheit die Harmonie und die Schönheit zu opfern. 
Es gibt Arbeiten von ihm, wie den Neapolitaner Fischerknaben, in denen er 
die Trivialität bürgerlicher Genreplastik streift. Sein toter Cavaignac, der vom 
antisch Bahrtuch in wirren Falten umhüllt, ausgestreckt auf einer Grabplatte ruht, 
Roman- ist dem erschreckenden Leichnam Christi von Holbein vergleichbar. Seine Jeanne 
e unter d’Arc, die dem himmlischen Weckruf wie einem fernen Klange lauscht, ist von 
diesem einer ganz germanischen Naivität der ungelenken Bewegung (Tafel XXII1). 
n Bild- Am meisten wagt er sich im Sinne romantischer Kompliziertheit vor in dem 
5 Rude Napoleondenkmal in Fixin bei Dijon. Der Imperator erwacht langsam aus 
\gemut, bleiernem Todesschlaf und lüftet mit schwerer Bewegung den Mantel, der 
uck für seinen Körper umhüllt. Eine phantastische Vision! Ganz unproblematisch, 
sprengt ein packendes Bild des Lebens ist eines seiner späteren Werke, der Mar- 
macht. schall Ney in Paris, der seinen Säbel aus der Scheide gerissen hat und den 
ı lauter Garden das Kommando zum Angriff zuruft (Abb. 296). Der größte Wurf 
tlichste gelang ihm indessen in dem Hochrelief des Aufbruchs zum Kampf an Chal- 
5t diese grins Arc de l’Etoile (Abb. 297; vgl. Abb. 166). Ein brausendes Leben erfüllt 
ntfernt. die Gruppe der Krieger, die aus der Wand des Pfeilers hervordringen und 
ıtwarks jung und alt an uns vorbeistürmen, während über ihnen die Göttin des Krieges 
Schüler dahinfliegt, den gellenden Weckruf ausstoßend, dem sie alle folgen. Was immer 
Mathe- an Gesetzen der Plastik und des Reliefstils überliefert war, hier ist es kühn 
uche in zerbrochen; dies ist der formgewordene Geist der Revolution, ein steinernes 
: „Ihre Kampflied, der Marseillaise vergleichbar. Aber, wie man es immer nennen möge, 
. sollten es spottet jeder schulmeisterlichen Kritik und es verkündet ein neues Gesetz, 
würden indem es die alten verachtet. Freilich ein bedenkliches Gesetz! Denn diese 
ist. — höchste Verlebendigung der Plastik bedeutet gleichzeitig ihre Isolierung. Hier 
war es wird der Weg betreten, an dessen Ende Rodin steht mit einer Plastik, die 
tischen nur noch als abgelöste Form für sich gewertet werden will und jeder Ein- 
-ademie ordnung in irgendwelchen geordneten räumlichen Zusammenhang wider- 
Ärkten. strebt. 
en vier- Neben Rude sinkt jedes zeitgenössische Talent zu einer Größe minderen 
zurück- Ranges herab, die nur wenige Strahlen aus der Fülle des in ihm gesammelten 
iserzeit Lichtes reflektiert. Was genrehaft naturalistisch an Rude war, erscheint 
vereinzelt anmutig in einigen Figuren Francisque Durets (1804—1865), 
A. 
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