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turbinen ist man nicht genöthigt, mit einem stoßfreien Eintritt zu rechnen. Die
Rechnung ergiebt dafür zwar eine Umlaufsgeschwindigkeit von 400 m, de Laval
führte jedoch nur eine etwa halb so große Umlaufsgeschwindigkeit ein, weil der
Dampf =- im Gegensaß zum Wasser -- ein sehr elastischer Körper ist und also
auch beim Stoß noch günstig Arbeit abgeben kann.
Bei den neueren de Laval'schen Dampfturbinen, welche von der Masc<inen-
bau-Anstalt Humboldt in Kalk bei Köln gebaut werden, wird ein stoßfreier
Eintritt bei 20 000 Umläufen der Turbinenwelle in jeder Minute erreicht. Im
übrigen unterscheidet sich die Turbine von der gewöhnlichen Wajsserturbine nur
ihrer Größe und ihrer Umlaufszahl nach. Die Welle einer de Laval'schen
Dampfturbine von 5 Pferdestärken, deren Laufrad 100 mm Durchmesser hat,
macht in jeder Minute 30 000 Umdrehungen, eine Dampfturbine von 100 Pferde-
stärken aber, deren Laufrad einen Durchmesser von 500 mm hat, 13000 Um-
drehungen in jeder Minute.
Diese große Umdrehungsgeschwindigkeit, welche die Turbinenwelle erfordert,
wurde zu einer Hauptschwierigkeit bei der Construction der Turbine. Es ist
nämlich nicht möglich, ein Turbinenrad genau auszubalancieren. Es hat sich
indessen gezeigt, daß bei sehr dünnen Wellen von 8--15 mm Stärke, wie sie
de Laval verwendet, eine so genaue Ausbalancierung sich nicht nöthig macht.
Die Mechanik lehrt*) nämlich, daß ein sich selbst überlassener frei freisender
Körper, wie beispiel3weise ein Kreisel, sich stet8 auf die durch den Schwerpunkt
gehende Hauptachse einstellt. Eine schwache Turbinenachse, wie sie de Laval
anwendet, biegt sich so leicht durch, daß sie ihrer Einstellung in der Hauptachse
nur einen geringen Widerstand entgegenseßt. Bei Beginn der Umdrehung wird
zwar die Welle einer nicht ausbalancierten Turbine das Bestreben haben, sich
durchzubiegen. De Laval giebt deshalb dem Lager der Laufradwelle einen
Spielraum von etwa 1 mm, damit diesem Bestreben kein Hinderniß erwächst.
Ist aber die Umdrehungsgeschwindigkeit weit genug gesteigert, so stellt sich die
Drehung um die Hauptachse ein, und es kommt nur ein sehr geringer Druck
auf die Lager.
In Fig. 689 und 690 ist eine de Laval'sche Dampfturbine dargestellt,
wie sie von der Maschinenbau-Anstalt Humboldt in Kalk bei Köln gebaut
wird. Das Laufrad 1 ist auf einer sehr dünnen und langen Welle W befestigt,
welche einerseits in zwei festen Lagern des Vorgeleges ruht, anderseit8 in
dem Kugellager H am Ende des Maschinengehäuses. Die |Lager sind Ring-
schmierlager; sie bestehen aus Messing und sind mit Weißmetall ausgegossen.
*) Nach Versuchen von Klein unter Leitung von Prof. Föppl im mechanisch-technischen
Laboratorium der technischen Hochschule zu München hat sich ergeben, daß eine Welle mit
einem excentrisch auf ihr befestigten Körper, wenn sie in Umdrehung verseßt wird, nur zu
Anfang mit zunehmender Geschwindigkeit sich mehr und mehr ausbiegt. Von einex bestimmten
Geschwindigkeit an richtet sie sich gerade und drängt den Schwerpunkt in die Drehungsachse
hinein, sodaß sie vollständig ruhig läuft, ohne zu schlagen.