Full text: Das Schöne und die Kunst (1. Reihe)

Ausdruck der Töne, der Versmaße. u 
kommt es dagegen, wie gesagt, auf den Accent an 9). Hebung 
und Senkung, Tondru>, starke, schwache, mittlere Kraft des 
Tondrucks wird da berechnet. 
Wie nun? Die Poesie, die angethan ist, die Seele in ihren 
Tiefen zu erregen, soll wesentlich do< auch ruhen auf einem 
solchen Messungsunterschied?! Ja freilich, vermöge dieser Sym- 
bolif erscheinen uns die verschiedenen Versarten wie verschiedene 
Stimmungen der Seele, wie verschiedene Gangarten. Der 
Jambus (= --), 3. B. in den Dramen Schillers, stößt vorwärts. 
Der Trochäus (= -) geht ruhig, ganz in ruhigem Erzählungs- 
schritt. Er wirkt, wie wenn ich mit einem Fuß fest auftrete, 
dann mit dem anderen leichter. Das kann auch ein Schleichen 
bedeuten, z. B. in Goethes Gedicht „die Braut von Korinth“. 
Hören Sie: 
Wie mit Geist8 Gewalt 
Hebet die Gestalt 
Lang und langsam sich im Bett empor. 
Nur das leßte Wort ist da ni<ht mehr Trochäus. Der 
Daktylus (--=-) hüpft abwärts. Anapäste (-- =-) haben etwas 
stark Bewegtes, mit verdoppeltem Anlauf Aufspringendes. Nehmen 
Sie z. B. in Goethes Faust die Schlußscene des ersten Teils. 
Gretc<en ist wahnsinnig im Kerker, erkennt zuerst Faust nicht, 
sie wirft sich nieder neben ihm und spricht: 
O, laß uns knien, die Heil'gen anzurufen! 
Sieh unter diesen Stufen, 
Unter der Schwelle 
Siedet die Hölle, 
Dex Böse -- mit furc<tbarem Grimm -=- macht ein Getöse! 
Faust ruft „Gret<en!“ Da erkennt sie ihn und jeßkt ist 
die Gangart des Verses eine ganz andere: 
Er stand auf der Schwelle, 
Mitten dur<3 Heulen und Klappern der Hölle, 
Dur< den grimmigen, teuflischen Hohn 
Erkannt ich den süßen, den liebenden Ton. 
H=Nqal. oben: S255. 
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