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von seinen Nossen betrauert. Denken Sie auch an das Roß,
das die Haimonskinder trägt. Dies und anderes ist nicht in der
Studierstube gemacht, sondern dem uralten Kinderglauben der
Völker entsprungen. Das Kind belebt und beseelt ja alles.
Dies ist Phantasie und ästhetisch sehr zu schätzen.
Die Tiere, unsere niedrigen, armen, zurückgebliebenen Brüder,
die leider das Examen zum Menschen nicht haben bestehen können,
sind uns ja so tief verwandt. Deshalb können sie uns komisch
ersMeinen und rührend. Wenn Koller eine Kuh malt, die sich
in eine Felsvertiefung zurückgezogen hat wie in ein Stübchen
und nun da zärtlich ihr Kalb le>t, wem ist das nicht eine
Analogie zur menschlichen Mutterliebe? Wilde Tiere haben von
jeher gedient, menschlihe Kraft und Gewalt darzustellen. Zn
allen alten Heldengedichten werden die Helden mit Tieren ver-
glichen.
Aber auch ganz leblosen Gegenständen, z. B. Werkzeugen,
Waffen legen wir Seele unter. Es ist als ob in das Schwert
ein Geist führe. Das Richts<wert ahnt es, wenn einer, dessen
Ende Henkerstod sein wird, in die Kammer des Scarfrichters
fommt; es zu>t an der Wand und erklirrt. Homer läßt die
Lanze lechzend nac< Blut daherstürmen. Wer das nicht mit-
fühlt, muß sc<on grunderdentro>en sein. Waffen werden ge-
tauft. Schwerter, Kanonen erhalten wie Schiffe und Glocken
ihre Namen (Hurlebaus, Weauf). Dieses Taufen und Benennen
ist der Ausdru> einer Beseelung des toten Objekts.
Was jagt doch Faust, da er in Gretc<ens Zimmer tritt,
vom alten Lehnstuhl?
„O nimm mich auf, der du die Vorwelt schon
Zu Freud und Schmerz im offnen Arm empfangen!“
Möbel , denen man das Gebrauchte ansieht, erinnern an das
Familienleben. So ist es, als wohnte eine Seele in diesen
Dingen; und das sagt der Dichter, das gibt der Maler im Bilde
zu fühlen.
Denken Sie auch an Stilllebenbilder worin Geschirr, Speisen,
Getränke, Blumensträuße, Früchte, getötete Tiere zusammen-
gestellt sind. Sc<naase hat in seinen niederländischen Briefen
Af