Full text: Das Schöne und die Kunst (1. Reihe)

Vollkommenheit. Die Natur als Stufenbau. 109 
frühere Definition könnte so aufgefaßt werden. Das ist aber 
in solcher Einfachheit jedenfalls nichts; und man hat dagegen 
mit Recht das Allereinfahste eingewandt. So, hieß es etwa: dann 
wäre also eine ihrer Gattung gemäß recht gelungene Kröte, ein 
Krokodil, ein Hammerfisch, eine Tarantel, ein Mol<, ein Warzen- 
schwein schön. Wie steht es nun damit? Welches Labyrinth 
ist vo<H die Untersuchung des Schönen! Wohin da nun gehn? 
Wir sind gewohnt, das ganze Reich der Natur zujammen 
mit dem menschlihen Leben als ein System von Stufen anzu- 
sehen, und unsere Phantasie bildet sich ein Schema nach den 
höheren Gebilden, denen die Natur zustrebt; sie beurteilt die 
niedrigen danach. Wir steigen auf von der unorganischen Natur 
und finden das erste Individuelle, konzentrisc< um einen Ein- 
heits- und Lebenspunkt sich Zusammenfassende: die Pflanze. 
Als ganz neue Kraft tritt in der Tierwelt freie Bewegung auf, 
Selbstbewegung, überhaupt Seele. Aber auch in dieser Welt 
sehen wir wieder eine Stufenreihe, so daß sie uns erscheint als 
ein Suchen der Natur, immer höhere Formen zu erwirken. Es 
geht aufwärts zu den Wirbeltieren, dann zu den Säugetieren, 
hinauf, hinauf und endlih zum Mens<gen, worin die Natur 
ihr Höchstmögliches erreicht. Der Mens< ist dann wieder in ver- 
schiedenen Wertgraden thätig, er hat untergeordnete und höhere 
Funktionen. Es bildet sih die menschliche Gesellshaft, der 
Staat, die Religion, die Moral 2c. Ueber die Natur stellt sich 
so ein neues großes Gebiet von geistigen Schöpfungen des 
Menschen. Auf der Krone dieser Stufenreihe entfaltet sich 
aus den sittlihen Geisteskräften das ethische Leben. Man 
könnte nun folgern: Ist alles, was schön ist, in die Er- 
scheinung getreten, so steigt mit dem Wert der Wesen auch 
das Harmonische ihrer Gestalt. Je höher ein Wesen, desto 
schöner entwi&elt sich an ihm die Einheit in der Vielheit, Desto 
schöner gliedern sich die Organe, desto klarer sind sie in lebendige 
Einheit zusammengefaßt; am höchsten beim Menschen. Von 
den peripherisch sich abhebenden Gliedern läuft ein Heer lebendiger 
Verbindungsfäden zur physiologischen Einheit im Znnern. Veberall 
Fühlt der Mensch an der ganzen Haut. Und nun. alles über-
	        
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