Vorwort des Herausgebers.
dazu fähig. Das ersteht nicht wieder. Einzig die Wortfügung
seiner Redeweise vermag ich zu geben. Es ist ein armer Rest,
aber es liegt viel darin, und ich denke, in der Wirkung auf
den Leser müßte doch ein Reflex aufleuchten von der einstigen
Wirkung auf den Hörer 9).
„Wer weiß, was er unter einer Rede zu verstehen hat, dem
brauche ich nicht erst zu beweisen, daß hier die Form ebenso
wesentlich als der Inhalt, ja von ihm gar nicht zu trennen ist.
Form aber heißt niht nur Aufbau, Darstellungsweise, Stil,
sondern namentlich und recht ausdrüclich ist dabei an die leben-
dige Stimme zu denken. Eine Rede wirkt durch dies sinnliche
Medium , sie lebt nur in ihm. Alles muß darauf berechnet,
von dem Gesichtspunkte aus überdacht sein, wie es durch das
Gehör an Gefühl und Phantasie gelangen, wie es auf diesem
Wege den ganzen Menschen ergreifen soll.“ So äußert sich
mein Vater selbst an der bereits genannten Stelle ?). I<
verweise hier darauf, weil er, namentlich in seinen späteren
Jahren, diefe Forderung mehr und mehr auch an seine aka-
demischen Vorträge stellte; sie kamen seit 1866 oft fast dem
Charakter von Reden gleih. Doch nicht so, daß sie des-
halb die Sphäre wissens<haftliher Unterweisung im Ton über-
schritten hätten. Man könnte viel eher sagen, daß der schlicht
mens<li<he Grundzug, der ihnen immer eigen war, mit seinem
zunehmenden Alter no< mehr hervortrat; sein Sprechen auf
dem Katheder war nun zuweilen auch wie ein freundliches
Geleiten, Helfen, Beraten; und so gründlich er vorbereitet
sein mochte, er improvisierte dann doh, seine Worte hatten
do< die volle Frische des Moments. Denn stets las er in
den Augen der vor ihm Sikenden; er dachte mit ihnen, es
war ihm durchaus eine gemeinsame Angelegenheit. Daher die
debattierende Art, die Fragen und Antworten, Einwürfe und
Entgegnungen.
?) „Es gibt doc<h auch ein inneres Gehör, und es gibt da und dort
einen guten Vorleser.“ Cbenda S. XU.
9 Se. VI
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