Full text: Das Schöne und die Kunst (1. Reihe)

1:58 Erster Teil. 8 9. 
alten Bildern, die roh in der Form waren und recht gestreng 
aussahen, recht bös, und sagt: „diese sind heiliger als die neuen, 
schönen.“ So werden die ganz alten düsteren Marienbilder 
als gnadenreich verehrt; sie erscheinen besser geeignet, den 
Mensc<en in sein Inneres zu werfen, als diejenigen mit freier, 
gefälliger, brillanter Form. 
“ Und die Bilderstürme des 16. Jahrhunderts? Kein Freund 
der Kunst wird sie je entshuldigen, aber ein Körnchen Wahr- 
heit ist dabei. Sie wurden freilich ausgeführt von rohen Men- 
jhen, die gar kein Kunstgefühl hatten, aber diese gingen aus 
von dem Gedanken: es sind Gößenbilder, die angebetet werden, 
Gegenstände des Gößendienstes; und da hatten sie recht. Als 
gebildete Menschen hätten sie gesagt: schaffen wir sie in ein 
Museum! aber sie waren eben roh. Heute ist es in der ganzen 
katholischen Welt so, daß die Kir<henbilder im Sinne des Gößgen- 
dienstes verehrt werden. Da glaubt man: diese Maria thut 
Wunder , thut es mehr als eine andere u. dergl. Madonnen- 
bilder erscheinen und verschwinden. Man gibt der heiligen 
Gestalt frisches Zeug; just wie im Altertum, wo die Götterbilder 
gewaj<en wurden, neue Röcke bekamen , wie 3. B. die Statue 
der Athene auf dem Parthenon. -- 
Aber jetzt betrachten Sie die Kunst für sich! Sie hat zwar 
ihre Bilder zu großem Teil gemein mit der Religion, aber als 
Kunst steht sie ihnen ganz anders gegenüber. Das Schöne ist ja 
freier Schein, bloßes Bild *). Nehmen Sie irgend eine griechische 
Götterstatue, z. B. den Apollo. Wir betrachten ihn mit hoher 
Freude. Aber wir glauben ja nicht mehr an die Götter der 
Alten; es fällt uns nicht ein, zu meinen, es gebe wirklich einen 
Apollo. Und do< hat er für uns eine innere Wahrheit; wir 
jehen in ihm personifiziert die Herrlichkeit des Lichtes, das ein 
Symbol des Geistes ist, die Herrlichkeit der Klarheit des Geistes. 
Oder wir stehen mit einem der Andacht ähnlihen Gefühl vor 
der sixtinischen Madonna, aber es ist nicht identisch, mit der 
Andacht kir<licher Verehrung*). Wer sie anbetet,/ fieht ihre 
1) Siehe oben S. 50 ff. 
2) Siehe oben S. 83. 
-e
	        
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