Harmlose Grazie. Das Hübsche, Zierliche, Niedliche, Verbindungen. 195
„döfisch“ und bedeutet also ursprünglich ein höfisches Benehmen.
Hübsch ist ein Gesicht, das in einem Salon gefallen würde,
aber no< lange nicht einem Bildhauer Auch das Elegante
kann sehr in Widerspruch treten mit den Gesehen des Schönen.
Elegant nennt man z. B. einen vom Schuh zusammengepreßten
Fuß, bei dem einem nichts aufgeht als die Jdee vom Hühner-
auge. Eine Venus würde auf unseren Bällen als Bäuerin an-
gesehen werden. Unsere ganze jetzige Tracht geht auf das Zier-
lihe, Elegante und nicht auf die Schönheit. Die Probe können
Sie sogleich machen, wenn Sie einem rassemäßig schönen Kopf
einen modernen Damenhut aufseßen. Das ist nicht anzusehen.
Das Schöne erscheint in solhem Aufpuß grob und plump, oder
das Elegante daneben als Plunder.
Nun aber fragt sich: verbinden sich diese drei Formen-
welten: das Schöne oder Anmutige, das Erhabene und das
Komis<e? Da wird nun die Sache verwickelt, aber erst recht
interessant.
Genau genommen, werden Sie kaum eine Erscheinung
finden, in der nicht wenigstens eine Möglichkeit liegt, zu Kon-
flikten überzugehen. Dieses Kind, es wird erwachen und wird
von Kämpfen des Lebens nicht verschont bleiben. Diese blühende
Jungfrau wird dasselbe erfahren müssen. Dieser zarte, schlanke
Baum wird einst von den Stürmen geschüttelt und verstümmelt
werden. Verwirkli<t sich aber diese im Schönen enthaltene
Möglichkeit des Uebergangs zu Konflikten, so verfällt es dem
Erhabenen oder dem Komischen oder beiden.
Es ist hier shon mehrmals betont worden: das Schöne
soll nicht bloß „schön“ sein und nicht umkehren vor den Ab-
gründen des Lebens; es zeigt sich im Shmerze groß. Der Luft-
ballon der Poesie kann doch mehr tragen, als die meisten
glauben. Er hebt die Last der ganzen Welt als freien Schein
empor.
Wie verbindet sich nun das lieblih Schöne mit dem Ge-
waltigen? Gibt es anmutige Großheit, erhabenes Schönes?
Jawohl! Betrachten Sie die Venus von Melos! Da haben
Sie Anmut, die sich zur Großheit erhebt. Das ist Aphrodite