Mängel des Naturschönen. ue,
mir in den Kopf kommt.“ Diese certa idea hat er zwar nicht
entwidelt, ohne schöne Frauen gesehen zu haben, aber an solchen
war eben damals wie heute Mangel. In keinem Lande, auch
nicht in Italien, wimmelt es von schönen Frauen. = Als Apelles
seine berühmte Venus malte, stellte man ihm sieben Jungfrauen
als Model. Warum mehrere? Sollte es unter einem so schönen
Volke nicht eine ganz schöne gegeben haben, die ihm genügte?
Nein , streng geprüft gibt es kein volkommen Schönes in der
Natur. Ihre Gebilde sind zu sehr dem störenden Zufall unter-
worfen, sie werden von allen Seiten gestoßen, gerieben, belastet,
verde>kt, bes<hmußt.
Nichts, was wir naturs<hön nennen, hält daher die genaue
Betrachtung aus. Sehen wir es mit mikroskopischer Schärfe
an, jo hört es sofort auf, schön zu sein. So 3. B. die mensc<-
liche Hand. Das Allerschönste finden wir bede>t mit Erden-
staub und Erdenschweiß, den stattlihsten Baum bede>t mit Un-
geziefer. Wir dürfen nicht zu nah hinsehen, weil wir sonst
den Stempel der Naturgebre<hen entde>en. Nur ein Bild steht
frei über dem Qualm der Not, herausgehoben aus dem Komplex
des Zufälligen; es bekommt keinen Schnupfen.
In der Schweiz hört man oft sagen: „der ist no< wüest
lebig.“ Diese Wüstigkeiten am Leben hören nur mit dem Tode
auf -- und nur in der Kunst.
Rumohr erzählt von einem römischen Modell, Vittoria aus
Albano. Eine gebildete, kunstsinnige Dame hatte dieses aus-
gezeichnet schöne Mädchen aufgefunden und ihre Eltern bestimmt,
sie na; Rom zu schifen und Modell stehen zu lassen. Das
war zu Ende des vorigen Jahrhunderts. Kestner, der Sohn von
Werthers Lotte, hat mir auch noh von ihr erzählt. Sie soll alle
Schönheiten in sich vereint haben, war wie gema<ht, um als
Aphrodite oder Maria dargestellt zu werden. Aber sie war
klein, und so konnte man nur ihren Kopf und nicht eben so
gut ihren Körper brauchen, um einem der größeren Jdealwesen
die Form zu geben. Dazu kommt ferner norm Alles, was wir
vorhin gesagt haben. Wenn Vittoria nicht auch den Stempel alles
Irdishen an sich getragen hätte, so wäre sie nicht gestorben ;
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