Full text: Das Schöne und die Kunst (1. Reihe)

275 Erster Teil. 811. 
Geisterrosse. Diese Pferdeköpfe des Parthenon gehören zUm 
ZIdealsten, was es in der Kunst nur gibt. 
Es ist bereits zur Sprache gekommen, daß das ästhetische 
Tdeal nicht identisch ist mit dem moralischen oder irgend einem 
anderen Jdeal und daß es auch ein Jdealbild des Bösen gibt. 
Richard 11. ist eines, weil alles, was zu einem Bösewicht gehört, 
in ihm dargestellt ist, weil er als ganzer Teufel erscheint. Und 
jo kann ich Falstaff ideal komisch nennen, weil er vollendet ist 
im Sinne des Komischen, ein Staatskerl, ein kompletes Pracht- 
exemplar komischer Persönlichkeit. 
Wenn die Phantasie fähig ist, ein Bild zu schaffen, das 
si< mit dem, was es darstellen soll, ganz de>t, so wird von 
diesem Bild alles gelten, was wir vom Schönen ausgesagt 
haben. Ihre Leistung besteht darin, daß auf irgend ein Jndi- 
viduelles der Schein fällt, als ob da alles vollkommen adäquat 
jei, und -- wir haben gesehen -- das erzeugt in uns ein Ent- 
zücken, daß wir, weiter blifend, glauben, das ganze Weltall sei 
vollfommen *). 
Es gibt verschiedene Auffassungsarten der Phantasie. 
Die Natur zerteilt diese Gabe in verschiedene Modalitäten. So 
enthält das menschlihe Wesen an sich die vier Temperamente. 
In Wirklichkeit werden sie aber auseinander gelegt. Die einzelnen 
Kraftformen der Phantasie zu beleuchten, ist jedo<h mehr Sache 
der Lehre von den Künsten, deren Unterschied aus einer Gruppe 
dieser Modalitäten hervorgeht. Daher hier nur so viel: 
Die Phantasie des einen ist auf das Auge, also auf Bildkunst, 
die des anderen auf das Gehör, also auf Musik, die des dritten 
auf innere Vorstellung, also auf Poesie, angelegt. -- Dann be- 
denken Sie die Auffassung gegenüber den verschiedenen Stoffge- 
bieten, das Talent zum Landschaftsmalen, zum Historien-, zum 
Sittenbild, die lyrische, die epische, die dramatische Begabung. -- 
Dieser neigt zum Ernsten, jener zum Komischen. = Ein vierter 
Unterschied wäre der zwischen direkt und indirekt idealisierendem 
Verhalten. Eine Phantasie ist so. zart organisiert, daß sie ihre 
H Ra. S. 4. 19, 99, 100 ff. 144, 14617 167. 
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