Full text: Das Schöne und die Kunst (1. Reihe)

Stimmung und Pflicht. Die Schuld gegenüber dex Natur. 223 
fruchtbar. Die Welt hat nichts davon -- wir haben es uns, 
von anderer Seite kommend, soeben gesagt =-; wer das Schöne 
in sich hegt, dem erscheint es, aber sonst keinem; und das ist 
gewiß zu wenig. Auch anderen erscheine es, in voller, leib- 
hafter Gestalt gleich einem Ding der Wirklichkeit. Heraus muß 
es in den Raum und in die Zeit, daß die Menschen es vorfinden 
wie etwas, das die Natur darbietet. 
Aljo ein Drittes soll entstehen. Vom Geistschönen soll es 
die Reinheit und vom Naturschönen die Gegenständlichkeit haben ; 
es soll beider Vorzüge vereint und ihre Mängel getilgt zeigen, 
etwas, das weder bloß innerlih, noh bloß äußerlich ist, ein 
aus der Seele gebornes und doh sinnenfälliges Ding. Es soll 
mit dem Charakter naiver Objektivität, ganz unbefangen, ganz 
losSgelöst vom Künstler, unter den anderen Sachen der Erde 
und des Himmels da sein, wie ein Stein da ist, eine Blume, ein 
Tier, ein Komet, rein unmittelbar aus sich selbst entstanden. Und 
do< werden wir ihm augenbliklich ansehen: das ist nicht nur so 
geworden und gewachsen, nicht animalisch erzeugt, nicht bloß 
Stoff, nicht bloß Luft- und Lichtwelle, sondern das kommt alles 
aus dem Geist. Also ein Geistgebilde und doch wie. ein Natur- 
gebilde, real und doh ideal, von dieser Welt und nicht von 
dieser Welt, mit einem Wort: ein Kunstwerk. 
Und das entzündet nun die Phantasie des Volkes und er- 
weckt sie zum Nachshaffen. Zn der Mitte zwischen Künstler 
und Zuschauer steht etwas, steht dieses Bindeglied. 
Damit kommen wir zur Kunstlehre.
	        
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