Zim Zweiter Teil, 82.
nun jogleich verfallen wird. Nehmen Sie das Eine oder das
Andere weg, so ist die Wirkung ganz zerstört.
Die Kontraste können unter Umständen mit der größten
Schärfe dastehen, können mit überraschender Kühnheit einbrechen,
denno< bleibt wahr, was ich schon damals gesagt habe: daß
sie zu motivieren und zu lösen sind. Jede ihrer Stufen soll am
rechten Orte stehen. Vorbereitung, Entwickelung, Ausbruch und
Lösung soll zu rechter Zeit stattfinden.
Für das Drama ergibt sich daraus zunächst die Dreizahl.
Im ersten Akt die Exposition, die Keime; im zweiten die Ent-
faltung; im dritten, wo die Handlung auf ihrer Höhe angelangt
ist, die Katastrophe und der ablaufende Schluß. Diese Drei-
zahl teilt sich, wie die menschliche Hand, zu einer Fünfzahl,
weil das Aufsteigen zum höchsten Moment und das Absteigen
zum Schluß mehr Entwikelung fordert als der Anfang und
der Ausbruch. --
Also Einleitungen, Uebergänge. Wir erschrecken doc< auh,
wenn wir etwas schon vorher sehen. Auch das Schroffe darf
in der Kunst nicht so schroff wie in der Natur sein.
Beachten Sie 3. B., welche furchtbaren Tonmassen Mozart
in seinem Don Juan bei der Ers<einung des Geistes entfaltet,
wie er sie einleitet und durch mildere Einsäte erträglicher macht!
Erinnern Sie sich an die höchsten Momente in Trauerspielen,
z. B. in Shakespeares Lear und Richard D1., wo die äußersten
Qualen der Spannung uns schnüren, die Bliße und Donner
der Entscheidung uns entseßen! Wir hören das Brüllen der
Wut und den Wehschrei der zertrümmerten Welt, aber da-
zwischendurch immer wieder auch die weich klagenden, bittenden
Flötentöne des mißhandelten Gemüts und des himmlischen
Mitleids.
Als ein Beispiel für die Dämpfung des Schroffen können
Sie auc< die Laokoongruppe betrachten. Da haben Sie den
entseßlichen Kontrast zwischen diesen drei Sterbenden und der
geisterhaften, von der Gottheit gesendeten Schlange. Dieses
Jammerbild ist so furchtbar, daß es sich der Grenze des künst-
lerisc< Darstellbaren nähert. Dennoch müssen Sie bewundern,
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