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Das ist Psychologie. Jhr sollt nicht zerlegen, analysieren,
sondern ein Bild geben. Führt uns Menschen vor, daß wir
sie zu sehen glauben, laßt sie handeln und uns aus ihrem
Thun, aus ihren Worten und Gebärden schließen, was in ihrem
Innern vorgeht! So will es das Wesen der Poesie, und so
will es Aristoteles.
- Ansc<hauli< machen, sächlich Vergegenwärtigen, das heißt er
wipnots; und es findet si bei ihm und bei den Alten über-
haupt nichts, was berechtigen würde, anzunehmen, sie haben die
unfreie Naturnachahmung als Prinzip aufgestellt: das wäre ein
falsher Schluß.
Nun haben aber die Franzosen diesen falschen Scluß ge-
zogen. Batteux deduziert 1746 in seinem Buche „les beaux
arts reduits a un möme principe,“ die Kunst ahme die Natur
nac<. „Höheres“ sagt er, „ist niht gegeben als die Natur:
man kann sie nicht übertreffen.“ Aber dann kommt er darauf,
daß man folglich auc< das Häßlihe nachzuahmen hätte, und er
gibt daher zu, man müsse mit Ges<ma> das Rechte auswählen.
So schlägt er sich selbst, denn damit räumt er ein, daß der
Künstler im Gegensaß zur Natur, welche das Schöne und Un-
schöne konfus durc<heinandermengt, ein hütendes Prinzip mit-
bringt, das er der Natur als Maßstab anlegt und das er in
ihr Bild hineinträgt.
Der Streit ging fort. Im Kampf gegen Schablonenwesen
und eitle Schönmacherei ertönte immer wieder die Losung des
Naturalismus. Auc<h Diderot trat für ihn ein. Lesen Sie
seine „Versuche über die Malerei“ in der Uebersezung von
Goethe! Dieser redet immer dazwischen und weist dem geist-
reihen Franzosen seine Widersprüche auf.
Es läßt sich begreifen, wie man zu dieser Ansicht kam. Das
Barocco und das Rokoko herrschte damals mit wild zerzausten
Formen. Und wo man regelrechter war, da war man afka-
demisc<, konventionell. Man wollte z. B. einen Baum mit der
Gartenschere zwingen, einen Vogel oder ein Wappen darzu-
stellen. Das war das Prinzip der Wohlweisheit, und seine
Anhänger sagten: wir wollen die Natur verbessern, übertreffen.
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