Full text: Das Schöne und die Kunst (1. Reihe)

254 Zweiter Teil. 83. 
sc<reibt. Es ist im Volk entstanden und sehr oft durc< mehrere. 
„Das haben drei Husaren gemacht“; oder: „Das haben drei 
Zungfräulein gemacht“. Unbekannte haben es gedichtet und ge- 
jungen, mit dem Texte zugleich die Tonfolge erfunden oder 
dazu die Weise eines älteren Lieds verwendet. Es ist wesent- 
li< an eine Melodie geknüpft, also ein Lied, und wird zunächst 
nicht aufgeschrieben, sondern nur singend fortgepflanzt. In dieser 
naiven, kunstlosen Kunst bekundet sich die Phantasie als all- 
gemeine Mens<en- und Völkergabe im Unterschied von der aus- 
nehmend begabten Phantasie, der wir die eigentliche Kunst ver- 
danken. 
Diese aber, die wahre Kunst, fordert, wie schon gesagt, 
gründliche und dauernde Uebung und Bildung, um den Kampf 
mit dem Material zu bestehen. Da heißt es hübsch arbeiten 
und hübsch lernen. 
Cs hat sich für jede Kunst eine Summe von Regeln festge- 
sett, wie die Technik geübt werden muß. Aber nur sehr allmäh- 
lim. Zum Beispiel die ältesten Denkmäler der griechischen Kunst 
sind noch lange nicht die frühesten; denen ist noch eine lange, 
lange Uebung vorangegangen. Das denkbar Früheste wird so 
gewesen jein, wie es heutzutage noch ein Kind macht, wenn es 
sich Thon formt, oder mit der Feder zeichnet. Schon vor Jahr- 
taujenden hat der Shmudetrieb an bloß notwendigen und nüß- 
lichen Dingen gewaltet. Bei den wildesten Völkern gibt es ge- 
floc<htenes, gesti>tes Zierwerk. Aus solchen Textilmustern der 
Vorzeit hat dann die Architektur Motive genommen, wie z. B. 
den Mäander. An dem Schaffen der Urkunst ist natürlich 
immer auch schon das höhere Talent beteiligt; es greift fördernd 
hinein und bringt die Technik vorwärts. Da hat 3. B. einer 
die Gabe, Tiere zu zeihnen, und wird darin nachgeahmt. Sein 
Einfluß wächst und breitet sih über das ganze Land aus. So 
kam es, daß die etruskis<en Maler, während sie sonst noch recht 
Unvollkfommenes leisteten, die Tiere schon mit einem ziemlich 
reifen Verständnis zeichnen konnten. So bildet sich ein Schat 
formaler Kenntnisse und technischer Regeln, so bildet sich eine 
Schule, die ihn überliefert.
	        
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