Full text: Das Schöne und die Kunst (1. Reihe)

28 Zweiter Teil. 8 3. 
und nac< dem Akte, den man ganz antikisierend stellte und sah. 
Wie anatomisc< totenhaft wurde da das Zeihen! So wurde 
das Wort „akademisch“ ein Tadel. Besonders Carstens und 
S<hi> machten gegen alles Akademiewesen Opposition. Aber 
sie haben das Kind mit dem Bade ausges<hüttet. Wir können 
die Akademien nicht entbehren; nur wird es gut sein, das alte 
patriar<halis<e Verhältnis damit zu verknüpfen. Also wissen- 
schaftliche Bildung in einer solchen Anstalt, jedoch daneben oder 
später praktis<e Führung im Atelier eines Aelteren. 
Die Kunst verlangt einen ganzen Menschen und seine ganze 
Kraft. Hierin macht nur die Poesie eine Ausnahme, weil ihr 
Darstellungsmittel, die Sprache, das biegsamste, lebendigste, 
relativ am meisten schon vorbereitete ist. Jedoch gar zu leicht 
darf man es auc< in der Poesie nicht nehmen. Wir haben ja 
schon gesehen: auch die Poesie hat Handwerk an sich und sehr 
vieles, und wir wollen das Wort Handwerk nicht verächtlich 
verstehen). Man ahnt nicht, was es Arbeit kostet, allein die 
Vorstudien zu einem Drama zu sammeln und dann es zu 
komponieren, wie schwer es oft ist, den Vers zu handhaben. 
Wer der Kunst nicht sein ganzes Leben widmet und sie 
doch treibt, wer sich also nur spielend mit ihr beschäftigt und 
sie de8halb niemals gründlich lernt, den nennen wir einen 
Dilettanten. Nun wäre es sehr ungerecht, den Dilettantismus 
s<lechtweg zu verachten und zu shmähen. Er dient als Bil- 
dung3- und Unterhaltungsmittel für die Gesells<haft. Es soll 
shon so sein, daß Kunst auch getrieben wird für den Haus- 
bedarf. Es mag mancher malen lernen ohne eigentliches Talent; 
man fann Familienkreise erfreuen mit dem Grade von Können, 
wozu man es dann bringt. In der Musik ist der Dilettantismus 
natürlih am meisten zu Hause, und die Musik ist ja auch nicht 
nur da, um Kompositionen zu erfinden und ins Werk zu seken, 
sondern auch, um geselligen Kreisen das gähnende Ungeheuer, 
die Zeit, zu töten und mit anziehenden, reizvollen Formen, dem 
Ohre vernehmbar, auszufüllen. So auc<h die Poesie. Es ist 
H Nagl. oben S. 231: 
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