IE Zweiter Teil. 8 3.
pedantisc<, warum soll man es darin nicht sein? Deswegen,
weil dieselben Dichter, jedesmal in denselben Gedichten eben im
Versmaß gezeigt haben, daß sie es ganz als Virtuosen los
haben. Man darf nicht sagen: „es kommt auf einen Fuß - nicht
an,“ aber demjenigen, der Meister ist, verzeihen wir es, wenn
er ein anderes Mal Fehler begeht und Nachlässigkeiten. Neben-
her pflegen diese großen Meister etwas flüchtig zu sein. Ein
großer Philologe hielt einmal Goethe einen Heptameter vor, und
Goethe antwortete: „laß die Bestie sißen.“ Das ist der Leicht-
sinn, den wir ihm gerne nachsehen.
Wer es durch Uebung dahin bringt, daß ihm die Be-
zwingung des Stoffes relativ sehr leicht wird, der gelangt zur
Virtuosität. Das heißt eigentlih Tugendhaftigkeit. Aber
virtus bedeutete anfangs nicht dasselbe wie jezt unser Wort
Tugend; und dieses hat den gleichen Ursinn wie virtus, es
kommt von taugen. Virtuos heißt also eigentlich: schi>lich,
etwas zu machen. Wir sagen vom Meister, er habe Virtuosität,
weil er mit vollendeter Sicherheit die Form, das Notensystem,
die Sprache beherrs<t. Schiller hat sic< Virtuosität errungen
und hat leicht gedichtet, so daß er gegen das Ende seines Lebens
jedes Jahr ein Drama zu stande bringen konnte. Ohne
Virtuosität wäre ihm das nicht möglich gewesen. Aber wir
werden uns hüten, von ihm und irgend einem wahren Meister
im persönlichen Sinne zu sagen: er ist ein Virtuos. Das
Wort hat eine zweite Bedeutung gewonnen, es hat sich damit
im Lauf der Geschichte ein gewisser Begriff verbunden, der auch
etwas Bedenkliches hat. Da hört man gleich heraus ein „Nur“.
Es ist ein Beiges<mack, der nicht leicht zu beschreiben ist. Wir
brauchen das Wort in diesem Sinne, wo wir äußerste Fertig-
keit in der Behandlung des Technisc<en rühmen wollen. Aber
wie steht es dann mit dem tieferen Gehalte der Kunst? Der
„Virtuos“ ist nicht produktiv. Denken Sie an die vielgenannten
Klavierspieler, Violinisten u. |. w. Besonders in der Musik
hat sih das Virtuosentum ausgebildet. Aber ist denn der
Virtuos bloß technischer Erekutor? Wie kann er alle Kunst-
mittel beherrschen, da die Technik in der Kunst doch seelenvolle
RC