Die Teilung der Kunst in Künste. ji
Kunst, daher lebendiges Verhältnis derselben untereinander,
daher Anlehnungen, gegenseitiges Leihen von Stoffen und
organische Verbindungen.
Soll der Künstler sein inneres Bild in die Außenwelt ver-
setzen, so braucht er ein bestimmtes Material. Dieses aber be-
s<ränfkt ihn, und er kann damit nur eine Seite der Erscei-
nungswelt aufnehmen, die andere nicht. Diese notwendige Jso-
lierung ist der nächste Grund der Teilung der Kunst in Künste.
Jede Kunst hat ihren eigentümlichen Reichtum, aber eben darin
liegt auch ihre eigentümliche Armut. Jede läßt uns etwas ver-
missen. Eine andere tritt an diese leere Stelle, ergänzt den
Mangel durc<h ihr Vermögen; aber auc< was wir durc sie ge-
winnen, ist erkauft mit einem Verlust an jener Schönheit, die
hier durch die Isolierung auf diese Schönheit ausgeschlossen ist.
So wird man weiter und weiter getrieben. So ergänzen sic<
die Künste gegenseitig.
Wollen Sie sich das Nähere vorstellen!
- Wenn nur die Architektur wäre, diese großartige, herrliche
Kunst, wie arm blieben doh ihre Räume! Sie wären nicht
geshmüdt mit Bildwerk, sie würden nicht von Farben strahlen,
nicht von Melodien klingen.
- Dann die Skulptur. Sie gibt die feste, greifliche Form der
Körper, muß dagegen auf die Farbe verzichten. Zwar ihre älteren
Werke sind großenteils polyhrom; und es macht uns nament-
lich die unleugbare Thatsache zu schaffen, daß die Griechen ihre
Statuen bemalt haben. Aber wenn sich das auch tausendmal
erweisen läßt, so ist es doh nichts. Der Saß bleibt in Kraft:
die Skulptur isoliert sich auf die Schönheit der Form und kann
alles, was in der Form Schönes liegt, nur dadur< erschöpfen,
daß sie der Farbe entsagt). Sie will kein Werk schaffen, das
uns wie eine Wachsfigur den Schein des Lebens vortäuscht*).
Das geht nicht, ein für allemal nic<t. Die Griechen = nun ja,
die nahmen das anders, allein sie verfuhren dabei doh wohl recht
1) Vgl. oben S. 21, 202.
2) Vgl. oben S. 249, 259.
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