Full text: Das Schöne und die Kunst (1. Reihe)

2444 Zweiter Teil. 8 4. 
die Dinge nebeneinander. Mehrere können nicht zugleich den- 
jelben Punkt einnehmen. Lessing (im Laokoon, wo er das 
ABC über den Grundunterschied der Künste lehrt) nennt dieses 
Verhältnis das koexistierende. Zeit ist das Verhältnis, wonad) 
die Dinge sich folgen. Lessing nennt es das successive oder 
konsekutive Verhältnis. 
In diese zwei Einteilungsfelder oder Fäc<her*) bringen Sie 
die Künste ganz leicht hinein. Also in das des Raums die 
bildenden Künste: Architektur, Skulptur und Malerei, weil ihre 
Werke da draußen stehen unter den Dingen, die es in der Welt 
gibt. In das der Zeit die Musik und die Poesie, weil sie 
successive verfahren, weil sie durch Folgen von Tönen und 
Worten Stimmungen und Vorstellungen erregen. Man sage 
dagegen niht: eine Vielheit von Tönen kann sich gleichzeitig 
bewegen! Das Wesentliche ist hier denno< die Fortbewegung, 
das fonsefutive Verhältnis. Und wie die Musik, so bewegt sich 
die Sprache in der Zeitform. Der Dichter erzählt eine Hand- 
lung in einer Folge von Scenen, während der Bildhauer und 
der Maler bloß eine Handlung auf einem Bilde geben kann. 
Also kämen Musik und Poesie gemeins<aftlich in das eine Glied 
der Zweiteilung zu stehen. 
Mit dieser Einteilung de>t sich eine andere, die früher die 
gewöhnlichste war und einfach darin bestand, daß man plastische 
oder optische Künste, die uns Formen geben für das Auge, und 
tonische oder akustis<e, auf das Gehör bezogene Künste unter- 
schied. Zu den tonis<hen rechnet man dabei wieder neben der 
Musik die Poesie, weil ihr Darstellung5mittel die Sprache ist. 
Einige Aesthetiker geben nun dazu noh ein drittes Feld, auf 
dem sich plastis<e und tonische, oder also räumliche und zeit- 
lihe Künste verbinden. Diesem sprechen sie die Tanzkunst zu 
und die Schauspielkunst. 
1) Sagen wir immerhin so! Es klingt tro>en, aber solche Fachwerk- 
einteilung hat ihren Wert; daraus werden sich für die Kunst Geseke er- 
geben, die von Tausenden vergessen und verleht werden. Der Maler, der sie 
kennt, wird nicht Gegenstände malen, die nur der Poet darstellen kann. Und 
dieser wird nicht mit Worten geben wollen, was nur Sache de3 Malers ist. 
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