Full text: Das Schöne und die Kunst (1. Reihe)

Prinzipielle Anordnung. „I 
Aber wir brauchen nicht mehr zu beweisen, daß diese Künste 
nicht mit den anderen koordiniert werden dürfen, na<dem von 
uns erfannt worden ist, daß die echte, eigentliche, selbständige 
Kunst nur in totem Material arbeitet. 
Die Tanzkunst werden wir nicht unterschäßen; und es ist 
selbstverständlih, daß man bei Tanz in der Aesthetik nicht zu 
denfen hat an unsere Gesellschaftstänze, wobei man Arm in 
Arm miteinander herumfliegt. Diese kommen hier gar nicht in 
Betracht, denn sie haben bloß den Wert eines Unterhaltungs- 
spaßes, nicht einer Darstellung. Aber auch unser Ballett ist nur 
ein elend verkfrüppelter Nachkömmling der alten Volkstänze. 
Die Griechen verstanden darunter nicht sowohl einen persönlichen 
Genuß als eine Darstellung für den Kreis der Betrachter. 
Allein so gewiß auch der Tanz einst etwas Schöneres war als 
er jekt ist, so gewiß bleibt do<h, daß er nicht auf gleicher Höhe 
steht mit den eigentlihen Künsten, deren Ueberlegenheit eben 
darin begründet ist, daß sie mit totem, und deshalb ganz 
parierendem, niht wie der Tanz, mit lebendigem Material 
wirken. Und dasselbe gilt, wie gesagt, von der Schauspielkunst. 
Alle Ehre davor! Sie ist die bedeutendste unter den abhängigen 
Künsten , aber auch nur dies; sie erreicht nicht den Rang der 
selbständigen *). 
Wir können also diese Dreiteilung nicht billigen. Dagegen 
gibt es eine andere Dreiteilung, die ihren triftigen Grund hat. 
- Sehen wir einmal jene ältere Disposition etwas näher an! 
Sie stellt Musik und Poesie als die tonischen, in der Zeitform 
operierenden Künste in ein Feld zusammen. Ist das wirklich 
gerechtfertigt? Auf den ersten Blik ist klar, daß in der Dicht- 
kunst der Ton nicht die Bedeutung hat wie in der Musik. Sie 
schildert zwar mit Worten, und Worte folgen einander. Aber 
ihr innerer Schöpfer und Träger, der Geist, bewegt sich nicht 
im Raum wie die Tonwelle. Aber was leistet die Poesie in 
diejer den Zeitgesezen angehörigen Darstellungsweise? Sißt 
ihre Schönheit nur in der Sprachform, wie sie beim Musiker 
1) Vgl. oben S. 229. 
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