Full text: Das Schöne und die Kunst (1. Reihe)

Untereinteilung. Die innere Einheit. 297 
Grunde reduzieren sie sich auf drei. So unterscheiden wir sieben 
Farben der prismatischen Strahlenbrechung des Lichts und drei 
Kardinalfarben. In allem, was ist, teilt sich der Kreis einer 
Einheit in Radien. Das nächste Beispiel haben wir an der 
Differenz unserer leiblihen Organe. Denken Sie ferner an die 
Temperamente, womit die Menschen in ihrer Grundstimmung 
voneinander abweichen! Nicht anders verhält es sich mit den 
Auffassungsarten der Phantasie, und darin ist ja die Teilung 
der Künste begründet. Aber durch alle Glieder fließt dasselbe 
Blut. Und wie in jedem der verschiedenen Temperamente, so 
wirkt in jeder der besonderen Gaben, die den verschiedenen 
Künsten zu Grunde liegen, do< immer die eine, unverfürzte 
Mensc<<enseele = nur in verschiedener Weise. Wie in allen 
Farben das eine Licht waltet, so verkörpert sich in allen Künsten 
do< bloß die eine Kunst; obwohl ihr Unterschied fix besteht, 
sind sie miteinander doch ein Organismus und von demselben 
Lebensstrom durchdrungen. 
Nehmen Sie das einmal etwas näher! Sehen Sie hinein 
in das innere Verhältnis der aufgeführten Künste, so betrifft 
Sie eine merkwürdig tiefe Verwandtschaft von Architektur und 
Musik. Wer ein monumentales Gebäude formsinnig anschaut, 
der hat ein Gefühl, als fange es an zu klingen. Bekannt ist 
die Sage der alten Griechen, die Steine der Mauern von Theben 
haben sich von selbst zusammengefügt, angelo>t vom Lyraspiel 
Amphions. Es ist etwas ke>, aber wahr, wenn Wilhelm Sc<legel 
die Baukunst eine gefrorene Musik nennt. Man könnte vielleicht 
au< sagen, die Musik sei eine aufgetaute Baukunst; aber das 
wäre zu spielend. Der Gegensaß dieser Künste ist doch so groß. 
Die eine steht starr im Raum, die andere s<webt unendlich 
wechselreih in der Luft. Und troßdem sind sie eigentümlich 
verwandt. 
Sodann bedenken Sie: von der Architektur werden Vilder 
herübergenommen in alle Künste. Wir brauchen gern den Aus- 
dru> Bau, wir sagen: der Körper dieses Menschen ist schön 
gebaut, diese Landschaft, diese Gruppe baut si<h harmonisch 
auf. Bau nennen wir nicht nur die Form und innere Ord-
	        
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