u Zweiter Teil. +84. 5.
Scenen leibhaft vor Augen. Und das Orchester gibt stimmungs-
volle Musik dazu. Aber an der Spitze dieses Bundes muß der
Dichter stehen; seine Kunst muß vorwalten.
In der Oper jedo<h, da tritt er zurüt. Ein Operntext
joll nicht einmal besonders poetisch sein, denn hier ist die Musik
die Hauptsache.
Es gibt überhaupt keine Verbindung von Künsten, worin
nicht eine von ihnen herrsc<t. Richard Wagners Kunstwerk der
Zukunft, d. h. eine Oper, worin sämtliche Künste gleichwertig
vorkommen sollen, ist ein Phantom, ein Ungeheuer, eine Stra-
paze, seine Theorie der theatralischen Allkunst, worin die ein-
zelnen Künste aufgehen sollen, ein utopischer Wahn. Einer der
Künste gebührt stets der Vortritt, die führende Gewalt; die
übrigen mögen folgen und dienen, soweit es ihnen zukommt.
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Aus verschiedenen Gründen teilen sim< die Künste in
Zweige, und diese Zweige verzweigen sich selbst wieder. Am
stärksten ist diese Teilung in der Dichtkunst, in deren drei
Zweigen sich die Dreiteilung der Kunst in Künste wieder-
holt. Lieben der selbständigen und freien Schönheit macht
sich ferner die unselbständige, dienende Schönheit in ihrem
Werte geltend, begründet Liebenformen, Anhänge zu den
Künsten.
Jede Kunst treibt mehrere Aeste und Zweige aus
ihrem Wesen hervor. Hierauf näher einzugehen, ist Sache der
Lehre von den einzelnen Künsten. Einer der Gründe dieser
Teilung wird im Unterschied der Stoffwelten liegen. So ergibt
sich aus den Eindrücken der unorganischen und vegetabilischen
Natur die Kunst des Landschafters als ein eigener Zweig der
Malerei. Dieser spaltet sich wiederum in die stilistische und in
die intime Richtung, dann auc< nach den Seiten der Natur
(Marine u. s. w.). So gehört einer besonderen Art an das
Genrebild (oder wie ich gerne sage: Sittenbild), so das Tier-
bild, so das Porträt, so das historische Bild. Andere Son-
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