Einleitung.
jeitigkeit ab, denn alle suchen die Mitte der Menschheit, die
Cinheit der geteilten Kräfte: indem sie sich auf besondere Zwecke
werfen, fühlen sie eben hierin ihren Mangel, daher lieben sie
den seligen Schein, womit das Schöne das ganze Leben erst
zum Einklang bringt.
Doch wir sind nicht hier um zu genießen, sondern um
einem wissenschaftlihen Zwe> zu dienen. Es ist eine schwere
Aufgabe, an die wir gehen. Wer sich mit Aesthetik beschäftigen,
wer das Schöne und die Kunst auc< begreifen will, darf
Gegenstand und Erkenntnis desselben nicht verwechseln. Der
Gegenstand, nämlich die Welt des Schönen, ist heiter, unmittel-
bar und mühelos einleuchtend, oder doh wohlthätig anspannend.
Der Versuch aber, das Wesen dieses Gegenstandes zu erkennen,
ist ernste, mühsame Arbeit, deren Schwierigkeit :von Stufe zu
Stufe wächst.
Streng denken ist wohl die höchste unter allen Leistungen
des mensc<hlichen Geistes. Aber wer verschlösse sich der Einsicht,
daß das Schöne an sich nicht ganz zu erkennen ist? Du wirst
ein e<tes Kunstwerk nie ganz analysieren können, es bleibt ein
unauflöSbares Geheimnis zurü>. Könnte man alles in Be-
griffe fassen, wofür brauchten wir dann noc< das Kunstwerk?
Dann wären ja Worte ein Ersaß dafür. Das sagen wir uns
selbst; und ein radikaler Gegner aller Aesthetik behauptet nun
einfach: Wissenschaft des Schönen ist also unmöglich.
Er wird sich auch darauf berufen, daß wir selbst, wenn
wir das Schöne anschauen oder erzeugen, in einer Stim-
mung sind, deren leßte Gründe sich nicht angeben lassen. Wer
will erklären, warum z. B. eine Landschaft diese oder jene
Gemütsstimmung in uns hervorruft? Das Schöne entsteht nicht
dur< Reflexion, sondern durc<h Begeisterung, Fei9. v.2vix. Im
ersten Wurf schon kommt das Bild dem Künstler ganz plößlich,
gleih einem Traumgesicht steigt es ihm auf aus den Tiefen
des Unbewußten. Wie will man mit dem Senkblei des Be-
grisss dahinabreihen? Du wirst das Geheimnis der Kraft, die
das Schöne schafft, nie und nimmer ergründen.