Full text: Das Schöne und die Kunst (1. Reihe)

Oper. Theater. R. Wagner. Verzweigungen der Künste. 303 
derungen bewirkt das Material und das hiemit zusammen- 
hängende te<hnis<e Verfahren, weil es einen Unterschied im 
Stil begründet. Als eine Kunst für sich erscheint die Marmor- 
hildnerei, die Erzplastik, die Malerei al fresco und die in Oel. 
Der Freskfomaler muß s<nell malen; er weiß, er muß fertig 
werden, ehe der frisch aufgelegte Kalkbewurf der Wand ein- 
trodnet. Er hat feine Zeit, sich bei den kleinen Zügen auf- 
zuhalten; er ist genötigt, sich auf das Wesentliche zu beschränken. 
So hat sich in der italienishen Freskomalerei der große Stil 
ausgebildet. Anerkannt ist auch, daß die Blüte der Münchener 
Kunst in Zusammenhang damit steht, daß König Ludwig 1. den 
richtigen Gedanken hatte, Fresken malen zu lassen. Die alten 
Bilder, die sich dort unter den Arkaden befinden, sind zwar 
no steif. und haben manche Fehler (ganz abgesehen davon, daß 
sie in der Technik an Gegenbauers Fresken im königlichen 
Schloß zu Stuttgart nicht entfernt hinkönnen). Aber ich sehe 
sie immer mit Pietät an, weil ich mir sage: an ihnen hat sich 
der Stil entwickelt. = 
Dann Umfang und Werkform: Büste, Maske, Herme, 
Statue, Gruppe, Reihe, Relief, Vollfigur, Höhe, Breite, Rund- 
bild, Medaillon, Zwielbild, Diptyhon, Tripty<hon u. |. w. 
Dann der Ort: Giebelskulpturen, Friesreliefs, Pfeiler- 
statue, Kirhenbild, De>enbild u. s. w. 
Endlich die Poesie. Sie spaltet sich am stärksten in Arten, 
und diese verselbständigen sich so sehr, daß sie fast wie eigene, 
voneinander grundsäßlich getrennte Gattungen auftreten: die 
Epik, die Lyrif und die Dramatik. -- Worin ihr Unterschied 
begründet ist, hat die Lehre vom Wesen dieser Kunst zu zeigen. -- 
Hier spiegelt sih nun das ganze Reich der übrigen Künste 
wieder ab: das Epos entspricht der bildenden Kunst, das 
lyrisc<e Gedicht der Musik, das Drama aber -- der Poesie, es 
ist konzentrierte Poesie. Es wird einleuchten: der epische Dichter 
hat die Aufgabe, zu malen, d. h. allerdings nicht so, wie Lessing 
es meint, wenn er es ihm verbietet, aber in gewissem Sinne. 
Er muß do<h dafür sorgen, daß man seine Gestalten innerlich 
sehe. Und so gleicht er am allermeisten dem Maler, so auc<
	        
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