Eg Zweiter Teil. 85.
zu sehen gibt, aber an einer Auslage neuer Waren dekorativer
Kunst gleichgültig vorbeigeht, so zweifle i<, ob er den wahren
Formensinn hat. =
Zum Gebiete der anhängenden, nicht ganz eigentlich selb-
ständigen Künste gehören nun aber auch die Künste, die mit
lebendigem Stoff operieren.
An die Landschaftsmalerei knüpft sich die Gartenkunst.
I< habe schon konstatiert, daß sie unselbständig ist, weil sie
mit Stoffen arbeitet, die nicht gut gehor<hen 9). Die lebendige
Natur um uns läßt sic< nicht so fügsam wie das Farbenzeug
des Malers zur Herstellung s<höner Veduten brauchen. Man
kann zwar viel zu stande bringen durch die Art, wie man den
Boden verändert, vertieft, aufschichtet, das Wasser leitet, die
Bäume, Wiesen, Blumenbeete gruppiert. Bei Ludwigsburg
z. B. befand sich ein Steinbru<. Man arbeitete daran, bis
man den Felsen herausbrachte, ' auf dem jezt die Emmisburg
steht. Dann richtete man es ein, daß sich ein Wasserfall ergoß
und unten einen See bildete. Das ist nun wohl etwas, aber
doch wenig im Vergleich zu dem, wa3 ein Maler machen kann.
Alle wahre Kunst gibt nur einen Schein; und ihr Jdealbild ist
nicht wirklih. Der Landschaftsgärtner jedo< will es wirklich
madchen, daher seine Abhängigkeit von allem Möglichen.
Dann die Gymnastik, der ganze Reichtum an ästhetischen
Bewegungen und Stellungen beim Turnen und Spielen, wie
viel günstigen Stoff bietet sie dem Bildhauer! Man könnte
sagen: dies ist wirklich lebendige, wirklih bewegte Skulptur.
Allein sie arbeitet mit lebendigem Stoffe, und sie dient dem
Zwecke, daß der Mensc< lerne, seinen Körper zu beherrschen.
Tausende und Tausende leben und meinen, ihr Körper gehöre
ihnen. Er gehört ihnen aber nicht, weil sie versäumt haben, sich
seiner zu bemächtigen, daß er ihnen folge; .ex macht ja allerhand
Bewegungen, die sie nicht wollen, und sein Gang ist ein tierisches
Schieben. Dagegen tritt nun die Gymnastik mit ihrer veredelnden
Zucht ein, jedoch ihr Mittel und ihr Zwe> ist nicht ästhetisch.
1) Vgl. oben S. 2927, 228.
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