Die anhängenden Künste. 307
Im Anschluß daran wäre zu betrachten der Tanz, dessen
Stoff ja auch ein lebendiger, nämlich der Mens<enkörper ist.
Endli< aber die höchste unter allen bloß anhängenden
Künsten, jene, die das Drama zur wirklihen Anschauung um-
wendet: die Schauspielkunst. Wie wenig wir sie unterschäßen,
wird sich stets zeigen, wo ein Anlaß vorliegt, ihr eine nähere
Betrachtung widmen zu können. Aber denno< bleibt es dabei:
auch sie arbeitet mit lebendigem Stoff und ist deshalb nicht
vollkommen frei*?).
Es ist dies also der zweite Grund, aus dem Nebenkünste
unselbständiger Arten entstehen. =- Der andere, haben wir ge-
sehen , besteht darin, daß sich die Schönheit an bloß dem Ge-
brauc< Dienendes anschmiegt. =- Nun aber kommt hinzu noch
ein dritter, der ja auch in der Gymnastik und in der Schau-
spielkfunst mitwirkt: das ästhetisc<e Vermögen kann ja auch der
Erkenntnis, der Moral, der Politik und dem Staatsleben dienen.
Die Malerei 3. B. geißelt mit tendenziösen Karikaturen
die Schwächen und Laster ihrer Zeit.
Ebenso kann die Poesie sich dem Zwecke widmen, zu be-
lehren, zu mahnen, zu strafen, zu verspotten, zu bessern , zu
erbauen. Dann gibt es noch Gebiete, wo sich Wissenschaft und
praftisc<er Zwe> mit einem gewissen Grad von Poesie verbindet;
Rhetorik und Geschichts<hreibung. Das ist gewiß höchst respek-
tabel. Es gibt allerliebste Lehrgedichte. Nehmen Sie nur die
zwei prächtigen von Goethe und Siller: „Der Zauberlehr-
ling“ und „Die Teilung der Erde“! Die sind ja ganz und
gar föstlih. Aber alles derartige steht do< nicht auf der Höhe
der wahren, reinen Poesie, denn diese hat als solche keinen
Zwe; sie will nicht erziehen, sondern einfach die Welt in
idealem Licht zeigen. Wenn einer sagt: den Zwe> hat sie,
daß man sich freue, so frage ih: was brauchst du dich zu
freuen? Er entgegnet: das versteht sich do< von selbst! Und
meine Antwort lautet hierauf: ja, eben darum sagen wir, die
1) Vgl. oben S. 291.
2) Vgl. oben S. 291, 229.