Full text: Das Schöne und die Kunst (1. Reihe)

308 Zweiter Teil. 8 5. 
reine Poesie ist zwe>los. Der Zwe kann versteckt sein, aber 
man merkt die Absiht, und man wird verstimmt; es ist eben 
do< Tendenzpoesie. Uebrigens wirkt das in ihr enthaltene 
Schöne immer auch für sich; und es wäre schief, zu behaupten, 
die Satire sei nur um des Streites willen da. Es verhält sich 
damit wie mit dem komischen Bild fürs Auge. Wie scharf hat 
schon der Sauerteig der Karikatur ins Leben hineingewirkt?)! 
Aber schließlich ist sie bloß heiter um der Heiterkeit willen, und 
das rec<t Närrische, ausgelassen Lustige darin steht dann höher 
als das Scharfe, Polemische. So werden wir uns wohl hüten, 
Werke, die einesteils allerdings einen sittlihen Zorn auf die 
faule Gegenwart aussprechen, deswegen einfach für Satiren zu 
halten. Cs schwebt mir-Aristophones vor. Der schneidet mit 
einem furchtbar scharfen Messer ins faule Fleisch des Griechen- 
tums jeiner Zeit. Darin ist er grimmiger Satiriker. Aber 
er gerät dabei wiederum in eine Tollheit, die über den Zwe 
hinausgeht; er wird an sich komis<. Und Rabelais, der war 
auch Satiriker; aber seine Spottlaune, die allerlei Unfug im 
Hof- und Staatsleben und namentlich die großen Lügenromane 
zum Gegenstande hat, geht weit darüber hinaus ; sie ist kreuzlustig 
und begründet das freie Lachen, das ein besseres ist als das 
Lachen des Hohn. 
Dieje Andeutungen mögen Ihnen genügen, um sich jezt 
ein Bild zu machen, wie reich die Kunst ist, wie sie in alle 
Poren des Lebens ihre reinere Luft ergießt. 
1) Vgl. oben S. 46. 
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